Das Manifest der Grünen Alten

Wir leben alle länger – und das ist ein großartiges Geschenk. Der demografische Wandel ist ein allmählicher Prozess, den es mit klugen grünen Modellen und innovativen Ideen zu begleiten gilt. Wir wünschen uns eine bunte Gesellschaft und setzen auf Vielfalt. Sie und das Miteinander sind Grundlage für ein positives Lebensgefühl aller Generationen, die unsere Gesellschaft kulturell, politisch und auch wirtschaftlich voranbringen wird.

Wir sind in unseren Bedürfnissen, Zielen und sexuellen Orientierungen so unterschiedlich wie andere Generationen auch. Wir wollen die Lebenszeit in der Altersphase bewusst und sinnvoll gestalten und so lange wir es können, wach und verantwortungsbewusst an den gemeinsamen gesellschaftlichen Entwicklungen teilnehmen.

Wir interessieren uns nicht nur für die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft, sondern auch für das friedliche Nebeneinander mit der Umwelt und für das biologische Recht aller Arten von Lebewesen, unter natürlichen Umständen zu leben und zu überleben. Wir wollen mit nachhaltiger Politik den Klimawandel eindämmen.

 

Für ein eigenverantwortliches Leben in jedem Alter

 

Zu einem Höchstmaß an Eigenständigkeit und persönlicher Würde gehört, selbstbestimmt in der eigenen Wohnung, in nachbarschaftlich oder gemeinschaftlich organisierten Wohnformen oder in guter Pflege zu leben. Gleichfalls ist es notwendig, dass bedarfs- und altengerechte Produkte wie passgenaue und bezahlbare Dienstleistungen für jeden Menschen erreichbar sind.

 

Für einen lebenslangen Erfahrungs-und Wissensaustausch

 

Viele ältere Menschen haben in langen Berufsjahren strategisches Denken sowie soziale und fachliche Kompetenz erworben. Das funktioniert am besten durch eigenes lebenslanges Lernen bei gleichzeitigem Austausch von Wissen und Erfahrung zwischen Jung und Alt. Wissensaustausch, Training und Mentoring zwischen den Generationen sollen nicht nur im Beruf sondern ebenso auch in jedem anderen gesellschaftlichen Bereich systematisch gefördert werden. Menschen mit Behinderung sind dabei verstärkt einzubeziehen.

 

Für eine lebenswerte Zukunft von Jung und Alt

Wir wollen verhindern, dass sich Armut überhaupt und insbesondere Kinderarmut und Armut im Alter in den vielfältigen Formen in Deutschland ausbreiten und fordern aktuelle und präventive Maßnahmen zur erfolgreichen Eindämmung und Verhinderung jeder Armut. Wir benötigen eine Weiterentwicklung der Alterssicherung. Dazu gehören die erfolgreiche Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, existenzsichernde Bezahlung, gleicher Lohn für Frauen und Männer, bedarfsgerechte, flächendeckende Kinderförderung und -betreuung und ein frühzeitiges wie qualifiziertes Bildungsangebot für alle.

Da der Anteil der jungen Menschen rückläufig ist und der Anteil der Alten steigt, werden es auch nach dem Rentenbeginn die rüstigen Alten sein, die viele der Zukunftsaufgaben mitschultern werden und wollen. Bei den Alten schlum­mert ein großer Schatz an Einsatzbereitschaft, Wissen und Kompetenz, der nur abgerufen werden muss. Menschen wollen gebraucht werden. Deshalb fordern wir jeden Einzelnen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik auf, Bürgerinnen und Bürgern zu jedem Zeitpunkt eine aktive Mitgestaltung zuzutrauen und die Voraussetzung zur aktiven Teilhabe für jedes Alter zu erweitern.

 

 

Für das Recht auf Kultur für alle

 

Die Stabilität und Attraktivität einer demokratischen Gesellschaft beruht nicht zuletzt auf der zugelassenen und unabhängig von Alter und Herkunft geförderten kulturellen Vielfalt in Stadt und Land. Der Zugang zu kultureller Bildung stärkt das Selbstvertrauen und erleichtert ein selbstbestimmtes Leben. Dies ist besonders wichtig für einkommensschwache Menschen jeden Alters.

Wir begreifen Kultur als einen Lernprozess, in dem der Mensch von Kindesbeinen an sein Verhältnis zur Natur und zur Gesellschaft immer wieder neu erkunden und gestalten kann. Gegenseitiger Respekt und Anerkennung der persönlichen Integrität des jeweils anderen erleichtern und fördern diesen Prozess.

 

Für bürgerschaftliches Engagement

 

Wir Ältere und Alte wollen für die Zeit nach dem Berufsleben vielfältige Neuorientierungen. Sie sind Ausdruck von dem Bedürfnis nach gesellschaft­licher Mitgestaltung, sinnvoller Beschäftigung und neuen sozialen Kontakten. Durch das freiwillige Engagement werden wir einen Wertewandel erreichen und die Begriffe „Arbeit und Freizeit“ mit neuen Inhalten füllen.

Die Gesellschaft muss allerdings unsere Bereitschaft zum bürgerschaftlichen Engagement mit Freiwilligenagenturen abrufen, sinnvoll organisieren und allen Beteiligten Gestaltungsmöglichkeiten einräumen. Altersgrenzen, die das freiwillige Engagement älterer Menschen einschränken, sind aufzuheben. Dies gilt für alle informellen und formalen Grenzen.

 

Altenhilfe für Migrant*innen

 

Wir müssen uns auf die heterogene Gruppe der Migrant*innen einstellen, für die es auf Grund ihrer verschiedenen ethnischen, religiösen und kulturellen Herkunft sowie ihrer unterschiedlichen sozialen Lebenslagen keine einfachen Standardlösungen gibt.

Wir setzen uns für eine interkulturelle Öffnung und Modernisierung der Altenhilfe durch gezielte Kooperation mit Migrant*innen-Organisationen ein und machen uns für die interkulturelle Öffnung und Modernisierung der Altenhilfe für ältere Migrant*innen stark.

 

Gegen Altersdiskriminierung

 

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz trägt dazu bei, die Benachteiligung auch der alten Menschen im Arbeitsbereich, beim Zugang zu Gütern und Dienstleis­tungen, in der Bildung und im Gesundheitsbereich zu beseitigen. Das Gesetz bietet ihnen die rechtliche Möglichkeit, sich gegen einige Formen der Alters­diskriminierung durch Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld zu wehren. Wir setzen uns für jede Bekämpfung der Altersdiskriminierung in allen gesellschaft­lichen Bereichen und Denkweisen ein.

 

Pflege, Krankheit und Sterben würdig gestalten

 

Am Ende des Lebens schreckt nicht mehr so sehr der Tod – es schrecken Einsamkeit, Schmerzen, Demenz. Das sind die neuen Gespenster der Gegenwart. Wenn es erforderlich wird, setzen wir uns selbstbe­stimmt, gemeinsam und mutig dagegen zur Wehr.

Wir fordern differenzierte Angebote in den Bereichen Wohnen, Pflege und Prävention. Selbst gewählte Wohnformen, die auch gemeinschaftlich sein können, werden den individuellen Lebensbedürfnissen eher gerecht als traditionelle Großeinrichtungen.

Wir setzen uns für Angebotsformen im Gesundheitswesen und in der Pflege ein, die die Bedürfnisse von Kranken, Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen respektieren. Wir unterstützen das Konzept der kultursensiblen Altenhilfe, bei der die Menschen unabhängig von ihrer Nationalität, religiösen, lebensanschaulichen und sexuellen Orientierung im Mittelpunkt stehen. Wichtig ist für uns eine demokratische Kultur des gegenseitigen Helfens, bei der auch Defizite akzeptiert werden. Dazu gehören geeignete Angebotsformen für ältere und alte Menschen, die an Demenz erkrankt sind.

Wir setzen auf ein Leben und Sterben in Würde und sprechen uns für eine stärkere Förderung sowie Anerkennung der Hospizbewegung und für die

Weiterentwicklung und Weiterverbreitung der Palliativpflege und Palliativ-medizin aus. Ein Mensch behält seine Würde durch ganzheitliche Betreuung.

 

Bis zum Eintreten des Todes wird er medizinisch, pflegerisch, seelsorgerisch und seinen Vorstellungen gemäß versorgt.

 

 

Für eine Generationenzusammenarbeit von Jung und Alt

 

Wir brauchen bei der Weiterentwicklung der Gesellschaft für eine lebensför­dernde Zukunft und dem Erhalt der Umwelt ein verlässli­ches Bündnis von Jung und Alt.

Dabei müssen Ansprüche, Leistungen und Vorleistungen aller Generationen mit den Lebenschancen künftiger Generationen gegeneinander abge­wo­gen werden. So können am ehesten die Bedürfnisse der heutigen Generatio­nen mit den Lebens­chancen der kommenden Generationen verbunden wer­den. Schließlich haben wir alle die Erde von den uns Nachfolgenden nur geliehen.

 

Wir sind im Einklang mit dem Programm der europäischen grünen Alten-Organisation und stimmen den Grundsätzen der Vereinten Nationen zu, die sie 1991 beschlossen haben und die den ersten Oktober zum Internationalen Tag aller alten Menschen dieser Erde erklärt haben. Wir träumen von einer Gesellschaft in allen Ländern, in denen die Menschen gemeinsam, selbstbewusst und aktiv für ein Leben in Freiheit, Würde und Geborgenheit eintreten.

 

Berlin im November 2015 Die Grünen Alten Bundesverband