Ein Rückblick auf den deutschen Seniorentag in Dortmund

Gemeinsames Tanzen in der Westphalenhalle

So viele spannende Veranstaltungen, ganz viel lief parallel, da fiel die Entscheidung oft wirklich schwer, welchen Vortrag man besuchen wollte. Gelohnt hat sich auf jeden Fall der Vortrag von Margaret Heckel „vom Jugendwahn zur Diktatur der Alten?“. Die Journalistin beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Alter und hat mehrere Bücher geschrieben, u.a. „Die Midlife Boomer, warum es nie spannender war, älter zu werden“.

Sie stellte erstmal fest, dass die Glückwerte im Alter wesentlich höher liegen als in der ersten Lebenshälfte. Das sei übrigens nicht von der Gesundheit abhängig, sondern viel mehr vom Lebenszweck, den brauche man.

Computerkurse für Ältere, Veranstaltung u.a. mit Dagmar Hirche von Wege aus der Einsamkeit (links)
Parcours der Ehrenamtlichen

Hochrechnungen gehen davon aus, dass es bald immer mehr 100Jährige geben wird, China soll die erste Million 2069 erreichen, die USA 2073. Zukünftige Generationen müssten sich also fragen: wie steht man ein hundertjähriges Leben gut durch? Bestimmt nicht mit dem Satz: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr. Der sei auch grundfalsch. Ältere könnten alles lernen. Es sei noch nicht einmal wissenschaftlich klar, ob es bei Älteren länger dauert, wenn sie etwas Neues lernen. Kinder saugen alles auf, Ältere sortieren aus. Und müssen genau wissen, warum sie etwas lernen wollen.

Horst Westphal, Hauptdarsteller aus dem Film „Wolke 9“ stellte seinen neuen Kurzfilm vor

Eine ihrer überraschenden Thesen: Alter entsteht im Kopf! Negative Stereotype lösen bei uns Kopfkino aus, wir werden langsamer, fühlen uns älter. Wir brauchen neue Lebenszeitmodelle, die starre Abgrenzung von Jung und Alt würde hinfällig werden. Von der Forschung sei ohnehin noch viel in den nächsten Jahren zu erwarten, noch nie sei soviel Geld zum Thema Älterwerden investiert worden. Weil die Thematik alle Generationen betrifft, die gemeinsam die Folgen des demografischen Wandels schultern müssen. Der mit vielen Vorteilen  für die Gesellschaft verbunden sein kann, wenn man die jetzt die richtigen Weichen stellt.

Schauspieler Klaus Nierhoff (Mitte) erzählt bei der Schwulen-Lesben-Pressekonferenz von der Dementen-WG, die er für seinen Vater gesucht hat

Schwule und Lesben erzählten von ihren besonderen Problemen in Pflegeheimen. Menschen in dem Alter hätten sich oft ihr Leben lang versteckt, ihre Gefühle in der Gesellschaft nie gezeigt. Und plötzlich seien sie in einer Situation, die es schwer macht, Grenzen zu ziehen. Wäre doch spannend, wenn wir eine große Veranstaltung machen könnten zum Thema „Pflege mit Herz“, die alle diese Probleme mit einbezieht.

Hildegard Keul lehrt an der Uni Frankfurt und forscht zum Thema Sexualität im Pflegeheim und sagt: Satt und sauber reicht nicht! Die Generation der älter werdenden 68 hätten andere Lebensvorstellungen und würden ihre Bedürfnisse klarer äußern als die Generationen davor. Allerdings käme das eher von den Männern, aber nicht nur. Das Alter sei auf jeden Fall nicht asexuell.

Horst Westphal, der Hauptdarsteller aus dem Film „Wolke 9“, war in einem neuen tragisch-komischen Kurzfilm über Altersarmut zu sehen, „Early Birds“. Er ist inzwischen fast 90 Jahre alt, sieht man ihm nicht an!

Immer viel los am Stand, hier mit Gerd Baumer aus Baden Württemberg und unserer Sprecherin Antonia Schwarz
Der Landesaseniorenbeirat aus Hamburg war auch dabei

Prof. Dr. Gerald Hüter, Hirnforscher, ist überzeugt, dass Menschen nur in Gemeinschaft wachsen können, soziale Erfahrungen prägen das Gehirn. Der Mensch sei keine Maschine, man könne nicht nur in Einzelteilen denken. Denken, Fühlen, Handeln war mal eine Einheit. In der Leistungsgesellschaft haben wir die verloren. Betriebe, die auf Menschlichkeit setzen und das Miteinander fördern, seien nachweislich erfolgreicher. Wir brauchen eine zugewandte Medizin. Nur in der Palliativ-Medizin haben wir die bisher. Das sei sehr spät.

…und auch der Altersforscher Professor Kruse hatte Zeit für ein Interview
Mit dem Hirnforscher Prof. Hüter gab es ein spannendes Pressegespräch

Marianne Koch erzählt, wie man lange fit und gesund bleibt – und hat 600 Zuhörer*innen, der Saal ist brechend voll. Sie meint, die Zeit der Gruftis und Kompostis sei vorbei, die Alten seien anerkannt als vollwertige Bürger, die gebraucht würden. Ganz wichtig sei, im Alter beweglich zu bleiben. Es sei vor allem die Art und Weise der Bewegung, die einen alt erscheinen lässt oder nicht. Die Abnahme der Muskelmasse sei ein wesentlicher Grund fürs Altern, da können man mit Sport gut gegensteuern. Auch das Gehirn brauche ständig neue Reize.

 

Der bekannte Altersforscher Professor Dr. Andreas Kruse, Direktor des Instituts für Gerontologie der Uni Heidelberg, spielte erstmal auf dem Klavier vor, bevor er seinen Vortrag begann. Ich habe mich gefreut, dass ich ihn später noch interviewen durfte, demnächst mehr dazu.

Luitgard Herrmann vom evangelischen Frauenbund bietet Tablet-Schulungen

Dazu gibt auch Professor Dr. Wolf D. Oswald von der Uni Erlangen-Nürnberg viele Vorschläge in seinem Vortrag „Was kann ich tun, um nicht dement zu werden?“ Ein Bier am Tag sei okay, mehr nicht, Tanzen sei gut, wenn man neue Schritte lernt. Gesellschaftsspiele, bei denen man seinen Kopf einsetzt auch. Protektiv seien vor allem Aktivitäten, die keine Routine bedeuten. Er nannte auch einige Übungen, um sinnvoll zu trainieren. Man können z.B. in der Zeitung alle kleinen „a“ und „nein“ anstreichen, aber gemeinsam, nicht nacheinander. Außerdem sollte man nach der Zeitungslektüre kurz zusammenfassen, was man gelesen hat. Und das abends sich noch einmal ins Gedächtnis rufen. Auch Bewegung hilft, es reicht schon, dreimal täglich den Hund auszuführen. Auch, wenn man keinen hat. Mehr Infos unter www.wdoswald.de.

 

 

Petra Elsenheimer aus Frankfurt und Ruth Sauerwein aus Hagen
Ausfüllen, einstecken, gesund bleiben – unser neuer Notfallausweis

Auch bei uns am Stand war viel los. Frank Spade, Sprecher der Grünen Alten Berlin-Brandenburg, verteilte unsere neuen Notfallausweise, die gut ankamen. Genau wie sein Spruch: „Ausfüllen, einstecken, gesund bleiben!“

Es gab viele gute Gespräche am Stand, der auch die ganze Zeit bestens besetzt war. Nett, die unterschiedlichsten Grünen Alten aus den verschiedenen Bundesländern kennenzulernen! Solche Treffen sollten wir öfter haben. Das nächste Mal in Frankfurt, bei unserer großen Beteiligungsveranstaltung am 22. September. Ich hoffe, wir sehen uns dort!

Mehrzum Seniorentag hierim Blog.

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