Fachtagung Altersdiskriminierung in Berlin

Ferda Ataman mit 60plus-Sprecherin Christa Möller-Metzger

Die Location war beeindruckend: Das Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ) hatte zusammen mit der MSB Medical School Berlin in die denkmalgeschützte Siemens-Villa in Steglitz-Zehlendorf eingeladen. Aktuell werden dort Gesundheitswissenschaften unterrichtet, von Heilpädagogik über Psychotherapie bis zu Health Economy und Humanmedizin.

Die Tagung fand im Konzertsaal der Familie Siemens statt, der genug Platz für die 200 Gäste aus ganz Deutschland bot.

Die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Atamann (linkes Bild), eröffnete die Tagung mit einer grundsätzlichen Einschätzung zur Altersdiskriminierung, die in den offiziellen Diskrimierungsstatistiken genauso oft auftaucht wie Rassismus. Bis vor kurzem wurde aber kaum darüber gesprochen!

Das Moderatorenteam

Dabei gibt es so viele Themen, über die man dringend reden muss! Zum Beispiel Altersgrenzen, die gar keinen Sinn machen. Das kalendarische Alter sagt wenig aus über die Fähigkeiten eines Menschen, viel wichtiger ist das biologische Alter. Trotzdem bekommt man mit 70 keinen Mietwagen mehr, aufgrund der Algorithmen bei Banken keine Kredite – und am Arbeitsmarkt ist es am schlimmsten. Viele Arbeitnehmer*innen fragen schon gar nicht nach Fortbildungen oder Coachings im höheren Alter, es lohnt sich ja angeblich nicht mehr. Was natürlich Unsinn ist!

Viele Ältere haben Altersbilder verinnerlicht, die lange überholt sind, für sie ist es oft selbstverständlich, bescheiden zu sein, Platz zu machen, sich zurückziehen. Das wird gesellschaftlich auch oft erwartet und steckt genauso in Köpfen von Ärzt*innen, Politiker*innen, Journalist*innen…

Neu ist die Meinung, so Prof Rothermund von der Schiller-Universität in Jena, dass Ältere sich darum kümmern sollten, jung und fit zu bleiben und auch so auszusehen, um nicht wertlos für die Gesellschaft zu sein.

Prof. Eva-Marie Kessler

Da wundert es kaum, dass die Professorin Eva-Marie Kessler von der Medical School Berlin (linkes Foto) ergänzt: „Ageismus verhindert den Lebenswillen.“ Wir haben stark steigende Selbstmordraten bei älteren Männern. Trigema-Chef Wolfgang Grupp war ein prominentes Beispiel. Und seitdem assistierter Selbstmord möglich ist, holen auch die Frauen mit einer steilen Kurve auf!

Die Sorge, anderen zur Last zu fallen, spielt dabei die größte Rolle.

Da haben wir also ziemlich großen Handlungsbedarf! Diese Altersbilder müssen raus aus den Köpfen! Und wir können es uns auch nicht mehr leisten, die Ressourcen der Älteren einfach liegen zu lassen.

Mittagspause

Das erklärte auch eindrücklich Prof. Felipe Temming von der Leibniz Universität Hannover, da aufgrund des demografischen Wandels das Arbeitskräfteangebot in naher Zukunft um ca. 7 Mio sinken wird. Da werden neben Zugewanderten auch Rentner*innen dringend gebraucht, um den Arbeitskräftemangel aufzufangen. Und freiwillig weiterarbeiten wollen jetzt schon immer mehr Ältere. Im Moment macht es unsere Gesetzgebung allerdings nicht leicht, denn fast alle Arbeitsverträge sind letzten Endes befristet.

Das fordern wir Grünen 60plus ja schon lange, dass Arbeitsverträge nicht automatisch mit 65 oder 67 aufhören dürfen. Wer weiterarbeiten möchte, soll das auch können.

Die Grünen 60plus und die Grünen Alten waren gut vertreten in Berlin, auch die AGFW Hamburg (die Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V.) war mit Doreen Samolewicz dabei (rechtes Bild), die BAGSO (Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen), der Landesseniorenbeirat Hamburg mit Sabine Illing, die Körber-Stiftung mit Jana Lunz und Elke Schilling von Silbernetz.

Es war eine spannende Veranstaltung, mit vielen guten Gesprächen in den Pausen im Park oder im Rosengarten. Klar ist, dass wir das Thema Ageismus dringend in die gesellschaftliche Debatte einbringen müssen.

Kleine Anekdote am Rande: Es tauchte auch die Frage auf, ob der Name „Grüne Alte“ zielführend sei, weil es darüber regelmäßig Diskussionen gäbe. Professor Rothermund empfahl, lieber einen anderen Namen zu wählen, da der Begriff Alter einfach zu negativ besetzt sei. Und das ließe sich nicht einfach mal eben ändern. Viele unserer Gruppen nennen sich ja auch schon anders, von Graue Igel über Silbergrüne bis Grüne 60plus.

Danke an Georg Roth und Dr. Silke Migalla (Bild oben rechts) für die souveräne und trotz der Schwere der Themen kurzweilige Moderation.

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