Morgens um kurz nach 9, bevor die BDK beginnt, treffen Antonia und ich Winfried Kretschmann vor dem Velodrom. Wir verteilen gerade die neuen Flyer der Grünen Alten. Und er versteht nicht, was wir dem Alter denn Schönes abgewinnen können… Aber wir leben doch alle länger, sind länger fit und können eine Menge bewegen! Er lacht und stimmt mir zu.
Drinnen hat Toni schon mit seiner Rede angefangen, von der Süddeutschen online als Wutrede bezeichnet. Hört sie euch hier selbst an, sie war neben Jesse Klaver das zweite Highlight für mich. Er hat so recht, alle reden vom Klimaschutz, aber keiner tut etwas! Und dann wird behauptet, wir seien überflüssig. Dabei sind wir die Einzigen, die Klimaschutz wirklich ernst nehmen!
Yolanda Joab, Klimaaktivistin aus Mikronesien, beschreibt danach ihre Situation auf einer kleinen Insel mitten im Ozean. Sie ist dort zuhause, wo der Meeresspiegel bedrohlich ansteigt. Sie träumt von einer globalen Familie, wo alle zusammenstehen, denn der Klimawandel kennt keine Grenzen.„Lasst uns auf der richtigen Seite der Geschichte stehen, denn eins bringt uns alle zusammen, daran glauben wir: Menschlichkeit!“
Eine junge Frau neben mir findet, dass sie wie aus „Herr der Ringe“ reden würde, so eindringlich und in vielen Bildern.
Katrin Göring-Eckhardt macht weiter und knüpft an Yolanda an: Vom All sieht man keine Grenzen, das CO2, das in den USA entsteht, bleibt nicht in den USA. „Der Präsident der USA ist gegen die Erde in den Ring gestiegen, wir nehmen den Kampf auf! Yolandas kleiner Inselstaat säuft ab, Yolanda, auf uns kannst du zählen!“ Wir wissen, dass die Erderwärmung keine Fake-News ist. Macron, Arnold Schwarzenegger und China wissen das auch. Wir haben schon viel für den Klimaschutz getan, haben Elektrostationen für Autos gebaut, 1-Euro-Tickets für Schüler durchgesetzt, Robert hat 100%-Öko-Strom in Schleswig-Holstein. Schwarz-Gelb schafft dagegen Subventionen für Windkraft ab, das ist der Unterschied. Aber auch die Mauer von Trump wird uns nicht hindern, sondern herausfordern. Auch sie betont noch mal, wie wichtig der Klimaschutz gerade jetzt ist. Noch 0,8 Grad und aus unserem blauen Planeten wird ein grauer Planet. Wir müssen endlich aufhören, mit dem Selbstzerstörungsknopf zu spielen. Die Unwetter, die Überflutungen nehmen zu. Der Hopfen wird krank, weil es zu warm ist, unser Bier ist in Gefahr. Für Frau Merkel hat das alles trotz aller Bekenntnisse keine Priorität, die anderen Parteien sind schlichte Klimaamateure. Wir haben die gute Arbeitsteilung zwischen Menschen und Bienen einseitig aufgekündigt, durch den Einsatz von Glyphosat. Ökologie ist auch soziale Gerechtigkeit, an den meist befahrenen Straßen wohnen die Ärmsten im Land.
Jedes 5. Kind lebt in Armut, unser reiches Land kann sich arme Kinder nicht leisten! Die Superreichen müssen sich beteiligen. Aber Amazon zahlt weniger Steuern als meine Buchhändlerin an der Ecke. Das Café nebenan mehr als Starbucks. Wir brauchen endlich Steuergerechtigkeit. Alleinerziehende müssen aus der Armutsfalle geholt werden. Wir haben zuwenig Hebammen, obwohl wir angeblich das beste Gesundheitssystem der Welt haben.
Unsere Verfassung sieht keine Obergrenze für Flüchtlinge vor, die wird es mit uns auch nicht geben. Und, ein Seitenhieb Richtung Seehofer: mit christlicher Nächstenliebe hat das alles nichts zu tun, „das habe ich bisher anders verstanden, Herr Seehofer!“
Familien gehören zusammen, die Abschiebungen nach Afghanistan müssen abgesetzt werden. Jetzt ist die Zeit des Miteinanders, wir wollen eine Ehe für alle. Und zum Schluss kam noch eine Anfeuerung für den Wahlkampf: „Die Grünen waren immer am besten, wenn es genug Gegenwind gab!“ Auch sie bekam donnernden Applaus.
Elizabeth May, Vorsitzende der Green Party of Canada, sitzt als einzige grüne Abgeordnete im Parlament und hat gegen CETA gestimmt. Die Rechtsanwälte verdienen mit den Schiedsgerichten, sehr viele Kanadier wollen diese Gesetze nicht!
Für Carmen Perez, Co-Vorsitzende Women`s March on Washington, war der 8.November, die Wahl Donald Trumps, wie für sehr viele andere Amerikaner*innen auch, ein Weckruf – oder eher ein Weck-Knall! Alle sind endlich aufgewacht und innerhalb kürzester Zeit hatte sie 500 Partner, die sie unterstützten. Sie wollte möglichst viele Menschen an einen Tisch bringen. Und hat die radikalste politische Plattform entwickelt, die es bisher in den USA gab. Dabei ist keine Bewegung besser als die andere, das ist ihr wichtig. Alle müssen ihr Ego zur Seite stellen, um die politische Landschaft in den USA zurückzugewinnen. „Superman kommt nicht, um uns zu retten, das müssen wir selbst tun!“ Jede Ungerechtigkeit im Land ist eine Gefahr für die Gerechtigkeit auf der Welt, das hat schon Martin Luther King gesagt. Und eine Aufforderung an das Plenum: „Warten Sie nicht, bis so ein Donald Trump zu Ihnen kommt!“
Robert Habeck, stellvertretender Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, wundert sich, dass das Etikett „Verbotspartei“ an den Grünen kleben würde wie Pech. Obwohl doch Freiheit das Grundmotiv ist, bei den Grünen einzutreten. Die Welt hat sich geändert – und wir haben nicht immer darauf reagiert. Über Rassismus, Homophobie haben wir immer geredet, aber nicht über öffentlichen Raum und Sicherheit. Für ihn sind Freiheit und Sicherheit keine Gegensätze. Die Welt ist besser geworden, weil sich die Grünen darum gekümmert haben. Es ist unsere Welt, unser Land geworden. Wir haben vor Freiheit keine Angst – dürfen sie aber auch nicht überhöhen. Wir haben Pflichten, müssen Verantwortung übernehmen.
Renate Künast mahnt an, dass wir uns um die Alltagssorgen der Menschen kümmern sollten. Das ist bei Verbraucherrechten der Fall. Biosiegel haben wir ja zum Glück, aber wir brauchen auch eins für fair und regional!
Konstantin von Netz, MdB und stellvertretender Fraktionsvorsitzender, schlägt vor, die Telekom-Aktien zu verkaufen und dafür in das Internet zu investieren: „Fiber to the Bauernhof!“ , denn Glasfaser ist die Technologie der Zukunft.
Zum Schluss gibt es noch eine persönliche Erklärung von Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen. Ihm wurde ein „Halt doch die Fresse“ bei seiner letzten Rede entgegengeschleudert – und damit kann er nicht leben. Sein Vater saß wegen seines Kampfes um Meinungsfreiheit im Gefängnis, und auch für ihn, Boris, zählen Pluralität und Argumente. „Die Wahlen gewinnen wir nur mit Direktmandanten in Berlin-Kreuzberg und mit 61%, die ich in Tübingen geholt habe. Und nicht mit der Aussage: Fresse halten!“ Er bekam Applaus und Buh-Rufe. Ich finde, er hat recht, so eine Art der Auseinandersetzung ist für mich indiskutabel.
Ab 23 Uhr war Party, Cem hatte für Freibier gesorgt, cool!