Die Idee für diese Veranstaltung war nach der letzten Heimtour entstanden, bei der auf Initiative des Bezirksseniorenbeirates Pflegeheime im Bezirk von interessierten Wandsbeker*innen besucht werden. Viele Mitfahrer*innen fragten während der Tour nämlich nach ambulanten Pflegemöglichkeiten, Barrierefreiheit, und was man tun kann, um möglichst lange zuhause wohnen bleiben zu können. Der Bezirksseniorenbeirat (BSB) entwickelte bald ein entsprechendes Konzept für einen Fachtag, um all diese und noch mehr Fragen beantworten zu können – und voilà, der fand nun im Bürgersaal in Wandsbek statt. Mit sehr guten Referent*innen, einer kurzen Podiumsdiskussion und intensiven Gesprächsrunden.
Nach der Begrüßung durch die BSB-Vorsitzende Inge-Maria Weldemann und den Leiter des Fachamtes Sozialraummanagement, Harald Lindner, machte Professor Dr. -Ing. Kritzmann vom Verein Barrierefrei Leben e.V. weiter. Er gab einen guten Überblick über Umbaumaßnahmen für Bad, Küche und Hauszugang und empfahl, den Verein in der Richardstraße 45 zu besuchen, da man sich dort gratis und neutral beraten lassen und in einer Musterausstellung Barrierefreiheit auch erleben kann. Auch auf der Homepage des Vereins gibt es reichlich Informationen zur Wohnberatung. Wichtig sind z.B. doppelte Handläufe, Rampen, die nachträglich in verschiedenen Materialien eingebaut werden können und Klappsitze im Bad – für die es mittlerweile auch ein schönes Design geben soll. Badtüren sollten immer nach außen zu öffnen sein: Falls jemand stürzt und unglücklich vor die geschlossene Tür fällt, ließe die sich sonst nicht öffnen, so Professor Kritzmann. Stolperfallen sind auch hohe Fußschwellen, Badewannen und Duschwannen.
Anschließend ging es um eine gute Nahversorgung, Mareike Gamarra vom Fachamt für Stadtentwicklung erklärte zunächst, was „Versorgung“ und „nah“ in diesem Zusammenhang bedeuten: Güter des täglichen Bedarfs sollen in einem Umkreis von 500 bis 800 Metern von der Wohnung erreichbar sein. Man kann natürlich kein Geschäft zwingen, an einen bestimmten Ort zu kommen – aber durch bestimmte Auflagen und Förderung lässt sich doch einiges steuern. Planungen betreffen neue Wohngebiete, wie z.B. die Jenfelder Au, das aktuell größte Stadtentwicklungsgebiet in Wandsbek. Zunächst wird ein Masterplan erstellt, daraus leitet sich dann der Bebauungsplan ab. Auf den unteren Ebenen der Neubauten sind Läden und Gastronomie geplant, darüber wird gewohnt.
Auch am Spitzbergenweg in Rahlstedt gibt es ähnliche Pläne – dort wird allerdings überplant, d.h. es gibt schon Wohnungen und Geschäfte, die nun ab März 2019 entsprechend umgebaut werden sollen.
Generell kann man sagen, dass Wandsbek Nord mit den Walddörfern schlechter versorgt ist als das restliche Wandsbek, da die Einwohnerzahl dort auch geringer ist als im Kerngebiet. Ganz schlecht sind Supermärkte, die auf der grünen Wiese stehen, denn die ziehen Kapazitäten von kleineren Läden ab, die zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden.
Aufgrund der knappen Zeit hatten die Podiums-Teilnehmer*innen nur Zeit für ein Statement. Frau Dr. Ishorst-Witte, Leiterin des Fachamtes Gesundheit, hat selber viele Jahre als Hausärztin gearbeitet und sprach das Problem der Hausbesuche an. Die ambulante ärztliche Versorgung macht allen zu schaffen, weiß sie aus Erfahrung. Es gibt 258 Hausärzte im Bezirk – das ist im Prinzip ausreichend. Die Praxis sieht jedoch oft anders aus: man bekommt keinen Termin, hat lange Wartezeiten und Hausärzte weigern sich, ins Haus zu kommen. Dabei ist ein Hausarzt zum Hausbesuch verpflichtet. Am besten sollte man seine Ärztin oder seinen Arzt schon einmal fragen, wie sie oder er es mit Besuchen hält, bevor man darauf angewiesen ist.
Im Notfall ist vorgesehen, dass man alle Ärzte im Umkreis von fünf Kilometern abtelefonieren muss, bevor man sich mit einer entsprechenden schriftlichen Dokumentation (wer hat wann was gesagt) an die Krankenkasse oder die Patientenberatung mit der Bitte um einen Hausbesuch wenden kann.
Wer allein nicht mehr auf den Facharzt-Stuhl kommt, kann sich erkundigen: Es gibt auch diesbezüglich Barrierefreiheit in Praxen.
Herr Lohmann von der bezirklichen Seniorenberatung berät Bürger*innen ab 65 Jahre und ist zuständig bei allen Fragen zur häuslichen Pflege und Hilfen im Haushalt und deren Finanzierung. Er vermittelt ambulante Dienste und unterstützt bei der Suche nach einem Heim. Er arbeitet eng mit dem Sozialamt und dem Grundsicherungsamt zusammen. Die Beratungsstelle sitzt in der Wandsbeker Allee 71, Tel. 428 81 – 3522, die Sprechstunde ist kostenlos.
Frau Koggel ist Pflegeberaterin im Pflegestützpunkt Wandsbek. Man versteht sich dort als Pflegelotse, wenn Leute nicht wissen, an wen sie sich wenden sollen. Die Beraterin kennt alle Fachstellen für Umbaumaßnahmen zuhause, für Leistung und Finanzierung der Pflegeversicherung, ambulante Pflegedienste oder zum Einbau von einem Hausnotrufsystem. Der Stützpunkt ist personell gut ausgestattet, arbeitet an vier Tagen in der Woche und macht auch Hausbesuche. Ein Termin für eine kostenlose Beratung in der Wandsbeker Allee 62 ist meist innerhalb von einer Woche zu bekommen (Tel. 428 99-10 70). Man kann aber auch montags von 8-12 Uhr und donnerstags von 14-18 Uhr einfach vorbeikommen.
Frau Schröder, Diakonie, Leiterin der Hamburger Angehörigen Schule, weist darauf hin, dass es vermutlich 40.000 bis 100.000 pflegende Angehörige in Hamburg gibt, genaue Zahlen sind nicht bekannt. In der Regel sind das Laien, die 70% der Pflegearbeit leisten! Meistens geht es dabei um Demenz. Zur Zeit können sich Angehörige maximal 10 Tage Auszeit nehmen am Arbeitsplatz, um ambulante Pflege oder Heimunterbringung zu klären. Im Schnitt dauert die Pflegebedürftigkeit 8 Jahre. Besonders Frauen übernehmen dann oft selbst die Pflege, das Zurückkommen in den Job ist aber meist schwierig. Und es gibt bisher keine große finanzielle Unterstützung von staatlicher Seite.
Herr Schulz von der Alzheimer Gesellschaft Hamburg e.V. erzählt, dass der Verein mit 15 Teilzeit-Angestellten und 100 ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen ebenfalls gut aufgestellt ist. Es gibt inzwischen einen Treffpunkt für Menschen mit beginnender Demenz, einen Chor mit Sänger*innen mit und ohne Demenz und sogar eine Sportgruppe in Volksdorf. Ihr Ziel ist es, dass sich demente Menschen nicht zurückziehen, sondern weiter am Leben teilhaben können. Er appelliert an alle, die einen Verdacht haben, an einer Demenz erkrankt zu sein, frühzeitig zum Arzt zu gehen, da man in einigen Fällen durchaus noch etwas dagegen tun kann. Adresse: Wandsbeker Allee 68, Tel. 88 14 177-0.
Frau Scharr-Hofmann ist Leiterin der ASB (Arbeiter-Samariter-Bund)-Sozialstation in Jenfeld/Tonndorf. Ihr ist es wichtig, dass der Mitarbeiterstamm überschaubar ist, und sie eine gute Beziehung zu ihren Pflegefällen hat. Sie informiert bei einem ersten Besuch, welche Hilfen installiert werden können und welche Kosten auf die Patienten zukommen. Das Büro liegt im Denksteinweg 32, Tel. 66 51 52.
Nach der Podiumsrunde informierte Nina Gust von der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz über Teilhabemöglichkeiten im Quartier. Ihr Ziel sind resiliente Quartiere und Teilhabe auch für Menschen, die das Haus nicht verlassen können. Wichtig ist eine ausreichende Zahl an Gemeinschaftsräumen, damit Menschen die Chance haben, sich regelmäßig treffen zu können. Sie sieht sich mit der Baubehörde gemeinsam um, wo man solche Räume neu schaffen kann. Und natürlich sind auch nachbarschaftliche Kontakte sehr bedeutend. Um die zu koordinieren wäre ein Quartiersmanagement gut. Man könnte auch Fahrdienste für Arztbesuche organisieren. Wohngemeinschaften werden zur Zeit hauptsächlich für demenzkranke Menschen gegründet.
Nach soviel Input gab es erstmal eine Stärkung mit Kartoffelsalat und Würstchen – wer wollte, bekam sogar ein veganes!
Dann ging es in die Arbeitsgruppen, um Fragen zu stellen und mit den Referenten intensiver ins Gespräch zu kommen. Man konnte wählen zwischen zwischen drei Themenkreisen: „Altersgerechtes Wohnen“, „Pflege und Betreuung“ und „Gemeinsam statt einsam“. Die Stühle waren in der Mittagspause umgestellt worden, zwei Gruppen blieben im Bürgersaal, eine zog in einen kleineren Extra-Raum.
Die Diskussions-Ergebnisse aus den verschiedenen Gruppen wurden am Ende in einer letzten Gesprächsrunde vorgestellt. Den Abschluss bildete ein tolles Kuchenbuffet, gespendet von einem BSB-Mitglied! Bei Kaffee und Kuchen ließ es sich noch gemütlich weiterreden – oder man informierte sich an den vielen Ständen der Beratungsstellen, die auch Flyer und Infomaterial bereit hielten.
Die Mischung aus Vorträgen und Gesprächssrunden wurde sowohl von den Expert*innen als auch von den Teilnehmer*innen als sehr gelungen betrachtet, ein gutes Modell für zukünftige Veranstaltungen.
Eine spannende Veranstaltung, die gut besucht war und von der man viel mitnehmen konnte.
Ich finde es wichtig, dass man ermöglicht, dass Senioren zuhause wohnen bleiben können. Regelungen, wie dass Güter des täglichen Bedarfs in einem Umkreis von 500 bis 800 Metern von der Wohnung erreichbar sein sollen, sind daher wichtig. Meine Großmutter wollte beispielsweise auch zuhause wohnen bleiben und wir haben ihr jetzt eine 24h Betreuung daheim ermöglicht.
Leider kann ich Frau Dr. Ishorst-Witte nur zustimmen, weil ich selber solche Erfahrungen gemacht habe! Ich kann nur empfehlen den richtigen Hausarzt zu finden, der bereit ist, Hausbesuche zu machen. Dass ein Besuch sogar verpflichtend ist, wusste ich gar nicht. Warum werden dann viele Besuche verweigert?
Meine Mutter wollte auch so lange wie es möglichst zuhause bleiben. Das haben wir unterstützt und eine barrierefreie Badsanierung veranlasst. So kann sie sich auch in den gefährlicheren Ecken der Wohung sicher aufhalten.