Wie wollen wir im Alter leben?

Chat
Chatten mit den Nachbarn kann helfen: „Ich fahr einkaufen, wer braucht was? “

Diese Frage beschäftigt offenbar viele Hamburger*innen: Etwa 40 Leute hatten sich in der Ohlendorff’schen Villa eingefunden, um Anja Hajduk, grünes Mitglied des Bundestages, Christiane Blömeke, Sprecherin der Grünen in der Bürgerschaft für Gesundheit und Pflege und Nicol Wittkamp von Pflegen und Wohnen zu hören und mit ihnen zu diskutieren.

Anja erzählte, dass ein neues Pflegestärkungsgesetz verabschiedet wurde, das ab 2017 gelten wird und das aus den bisher drei Pflegestufen nunmehr fünf macht. Um in das Gespräch zu quartierbezogenen Pflegekonzepte einzuführen, zeigte sie dann einen Film über sogenannte intelligente Assistenzsysteme,  der zeigen sollte, wie Technik das Leben im Alter einfacher machen kann.

Herd
Der Herd registriert, ob jemand davor steht oder nicht

Der Film bezieht sich auf einen Modellversuch von Pflegen und Wohnen: Auf Knopfdruck lassen sich Schränke öffnen, die Herdplatte schaltet sich ab, wenn niemand davor steht, übers Tablet wird gechattet, Licht weckt sanft am Morgen, der Blutdruckmesser ist gleich mit dem Computer verbunden, der volle Wäschekorb schickt eine Nachricht an die Wäscherei, der Fußboden registriert Bewegungen, so dass Stürze nicht unbemerkt bleiben, und es gibt eine Lieferklappe, in die Nachbarn oder Lieferdienste per Code jederzeit Waren hineinstellen können.

Uiiii, und wer soll das bedienen und verstehen? Wo bleibt die persönliche Nachbarschaftshilfe, soll es doch in Zukunft immer mehr um Caring Communities gehen (sorgende Gemeinschaften)? Und was ist mit den Kosten? Darüber entbrannte schnell eine heftige Diskussion.

Nicol Wittkamp erzählte, dass Freiwillige das Systeme über Nacht hätten testen können, und sehr unterschiedlich darauf reagiert hätten. „Die einfachsten Dinge hatten den größten Wert,“ meinte sie. Die Schlüsselerinnerung zum Beispiel, die wollten alle haben. Unabhängig vom Alter. Und den Sesam-öffne-dich-Schrank – der auch jederzeit nachgerüstet werden könne.

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Christiane Blömeke glaubt, dass die neuen Technologien die heutigen Alten evtl. überfordern… ich glaube: Ausprobieren hilft!

Christiane Blömeke erinnerte daran, dass jede*r solange wie möglich zuhause wohnen bleiben möchte – und dass es in der City deshalb schon viele Modelle des Zusammenlebens gibt, von Wohngemeinschaften, die sich den Pflegedienst teilen bis zu Mehrgenerationenhäusern. Hier in den Walddörfern sei das – noch – anders. Aber auch hier gibt es inzwischen Pflegestützpunkte, bei denen man sich beraten lassen kann. Allgemein sei es heute in Hamburg selbstverständlich, dass barrierearm gebaut würde. Und auch die U-Bahnhöfe würden nach und nach barrierefrei.

Antje Grashoff, die ehrenamtlich ein Demenzzentrum leitet, bedauerte, dass sich die Politiker*innen erst so spät mit diesen Themen beschäftigen. Und man dürfe nicht alles auf Ehrenamtliche auslagern, die Einrichtungen bräuchten zumindest finanzielle Unterstützung. Ein psychologischer Alten-Betreuer aus Kiel meinte, Hamburg sei in Sachen Pflege Entwicklungsland, andere Länder seien viel weiter. Eine Vertreterin von Stattbau Hamburg, der Koordinationsstelle für Wohn-Pflege-Gemeinschaften, wies darauf hin, dass dringend Wohnpaten für Pflegebedürftige gesucht würden.

Alle stimmten zu, dass man in der Stadt zu lange auf klassische Pflege gesetzt habe. Christiane und Nicol Wittkamp waren aber überzeugt, dass jetzt ganz viel sehr zügig nachgeholt würde.

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Natürlich hab ich auch unsere Flyer ausgelegt – wurden auch gern genommen

Zum Schluss bat Anja noch um ein Meinungsbild zum Reformgesetz der Pflegeberufe, das im Bundestag gerade diskutiert wird: Soll die Ausbildung für Alte, Kranke und Kinder in Zukunft gebündelt werden? Oder die getrennten Ausbildungen bleiben wie sie sind? Die Grünen seien noch nicht überzeugt von der Idee der Bündelung, weil sie möglicherweise zu noch mehr Personalproblemen in der Altenpflege führen könnte. Auf der anderen Seite könne das Schulgeld, das jetzt gezahlt werden muss, entfallen, es gäbe einen größeren Pool, aus dem man Fachkräfte finden könne.

Die Mehrheit fand das Moratorium wünschenswert, das die Grünen angeschoben haben, so dass alle mehr Zeit hätten, offene Fragen zu klären.

Das Schlusswort aus dem Publikum hatte Renate Ziegler, die für die Pflege ihrer demenzkranken Mutter Job und Wohnung aufgegeben hat (siehe auch NDR-Film: Kostenfalle Pflege). Sie kritisierte, dass Pflegekräfte überfordert seien, zu wenig verdienten und überhaupt nicht genug Zeit hätten das Gelernte umzusetzen.