Schwarze Limousinen, Blaulicht, der ganze Bereich vor der Kongresshalle ist abgesperrt, der Eingang zum Deutschen Seniorentag in Dortmund mit einer roten Kordel abgehängt. Und dann steigt unser Bundespräsident aus mit seinem Tross, vorweg breitschultrige junge Männer in dunklen Anzügen, die ihm den Weg zum Eingang bahnen.Frank-Walter Steinmeier gibt sich volksnah, schüttelt den Menschen an der Kordel die Hand, fragt, woher sie kommen – und ist sehr überrascht von mir zu hören, dass ich die Grünen Alten vertrete. Findet er lustig und meint: „Ich bin ein grauer Alter.“
Das gibt er dann auch gleich an die Moderatorin wieder, die uns zehn Minuten später zur Auftaktveranstaltung im Festsaal – als einzige Organisation von den 140, die den Seniorentag in Dortmund tragen – namentlich nennt. Vielleicht sollten wir uns doch nicht umbenennen… wie auch immer, seine anschließende Rede war großartig.
Er begann mit dem Beatles-Song „When I’m 64“, in dem Paul McCartney sich vor vielen Jahren vorstellte, wie er als Großvater mit Großmutter auf dem Land lebt, dass im Kamin ein Feuer brennt, während Großmutter strickt und die Enkel auf seinem Schoß sitzen. Dieses Alter hat Paul McCartney inzwischen weit überschritten, verbringt die Abende vermutlich eher nicht neben einer strickenden Frau, sondern tourt immer noch über die Bühnen; Mick Jagger ist inzwischen Urgroßvater und Pete Townsend, der mit 20 sang, „I hope I die, before I get old“ freut sich des Lebens.
Auch außerhalb der Musikszene haben sich die Altersbilder verändert. Wer heute alt ist, so Steinmeier, hat auf Schiefertafeln schreiben gelernt und benutzt heute vielleicht ein Tablet. „Er hat die 1968er erlebt, die Wohlstandsgesellschaft, das neue Verhältnis von Mann und Frau und das Erwachen des ökologischen Bewusstseins. “ Diese Erfahrungen spiegeln sich im Angebot des Seniorentages wider. Es geht um interkulturelle Trainings, um Lesben- und Schwulenarbeit, Sexualität in Pflegeheimen oder den Digital-Kompass für Internet-Lotsen. Alte Menschen wollen aktiv am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilnehmen, es verantwortlich mitgestalten und genießen. Allerdings: die Alten, die gibt es nicht.
Es gibt die, so Steinmeier, die ehrenamtlich bei den Tafeln helfen, und auch die, die immer öfter auf diese Tafeln angewiesen sind. Es gibt die Fitten, Sportlichen, aber auch die, die Rund-um-Pflege brauchen. Es gibt die City-Senioren und die auf den Dörfern, die kaum öffentlichen Nahverkehr haben, mageres WLAN und wenig rauskommen. Es gibt die mit Freunden und Familie gut Vernetzten und die Einsamen.
Deshalb brauchen wir Brücken – und Brückenbau war auch das Motto dieses Seniorentages: wir brauchen Brücken zwischen den Generationen, zwischen Stadt und Land, arm und reich. Das Brückenbauen, so Steinmeier, würden die älteren Ehrenamtlichen ohnehin tun. „Wir sind darauf angewiesen, dass andere die Brücken zu uns nicht abbrechen oder sie neu aufbauen“ Und ergänzt kurz darauf: „In unserem Sozialstaat ist die Politik verpflichtet, dafür zu sorgen, dass auch im Alter für alle ein würdiges Leben möglich ist. … Der aktuelle Zustand der Altenpflege bereitet Sorge. Das Wort ‚Pflegenotstand’ darf nicht mehr lange zu Deutschland gehören. Deshalb muss Pflege auf der politischen Agenda erste Priorität bekommen. ”
Ein schöner Einstieg zu einer bunten Veranstaltung mit über 200 Angeboten zu den unterschiedlichsten Themen. Auch die Bundesgrünen Alten waren dabei mit dem Thema „Lebendige Nachbarschaften und Quartiere – auch im Alter mittendrin“, das so viel Interesse weckte, dass jeder der 250 Plätze besetzt war und sogar Besucher*innen stehen mussten.