Hausbesuche und Altersarmut

 – das waren die beiden Schwerpunkte der Gesamtdelegiertenkonferenz der Hamburger Seniorenvertretungen am 10. Juli: Der Saal im Hamburg-Haus platzte aus allen Nähten, etwa 250 aktive Ü60er waren gekommen.

Nach der Begrüßung durch den Landesseniorenbeirat, begann Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks mit einem einleitenden Grußwort. Und sprach mir das eine oder andere Mal aus der Seele – und es gibt Good News!

Sie stellte zunächst fest, dass jede*r 5. Ältere über 75 ehrenamtlich engagiert ist. Von 500 Hamburger*innen wird Seniorenmitwirkung bereits gelebt. Sie wünscht sich aber noch viel mehr bottom up bei der Entwicklung neuer Konzepte zum Beispiel für demografiefeste Quartiere– die ja auch Thema des neuen Demografie Berichts sind. Ältere wollen zuhause wohnen bleiben!

Erfreulich: Der Senat hat 1,4 Mio Euro für Kümmerer in den Bezirken bewilligt, die den sozialen Zusammenhalt im Blick haben sollen. Das Ziel ist Teilhabe für alle, auch bei kleiner Rente.

Zusätzlich gibt es mehr Geld als bisher für Seniorentreffs und offene Seniorenarbeit. Die Unterstützung wurde dauerhaft um 15% erhöht. 2000 Euro pro Seniorentreff, wie schon im letzten Jahr. Und dann wurden noch mal 2000 Euro für alle daraufgelegt. Das bedeutet eine Steigerung um 20%.

Klar: Moderne Treffs müssen mehr bieten als Kaffee und Kuchen. Modellprojekte werden deshalb noch mal mit 210.000 Euro insgesamt gefördert. Z.B. Fischbek und Lurup. Und das soll auch dauerhaft geschehen. Ich finde, die sollten wir mal einladen, um zu hören, was sie alles anbieten.

Ende des Jahres wird das erfolgreiche Modellprojekt der Hausbesuche ab 80 Jahre nun auf alle Bezirke ausgeweitet. Vorher hat man lange über das richtige Einstiegs-Alter diskutiert. Inzwischen wird der Besuch sehr stabil angenommen: Man hatte mit 25% gerechnet und ist jetzt bei etwa 33 %.

Da der individuelle Bedarf aber nicht altersabhängig sei, erklärte später Dr. Silke-Böttcher-Völker von der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz, könnte man sich von allein melden und müsste nicht auf einen Brief vom Senat warten. Für den Ablauf des Gesprächs hat man sich sicherheitshalber vorher mit dem Landeskriminalamt beraten. Durchgeführt wird das Ganze vom Albertinen-Haus, die Besuchskräfte arbeiten auf Honorarbasis. Dr. Lilli Neumann vom Albertinen-Haus ergänzte, dass man sich u.a. auch mit München ausgetauscht habe, die höchste Akzeptanz habe es bei einem Brief mit einem konkreten Termin gegeben. Und die Unterschrift des Bürgermeisters hatte eine besonders hohe Strahlkraft! Der Brief flattert vier Wochen nach dem Geburtstag ins Haus. Bei den Themen geht es vor allem um Gesundheit (45%), Mobilität (44%), Wohnsituation und soziale Kontakte (39%) sowie Einsamkeit (8%). Besuchskräfte mit Migrationshintergrund gibt es bisher nicht, es soll demnächst aber ein Infoblatt in mehreren Sprachen erstellt werden. Ansprechpersonen für schwule und lesbische Senioren sind bisher ebenfalls nicht dabei.

Ca. 64% lehnen den Hausbesuch ab (78% aktiv vorab, 14% öffnen nicht die Tür, 8% sagen an der Haustür ab) – ich hab mich gefragt: Sollte man die, die meinen, im Moment brauchen sie noch keine Unterstützung, nicht in zwei, drei Jahren noch einmal ansprechen?

Zurück zu Cornelia Prüfer-Storcks, die mit einem Wahlkampf-Schlenker zur Grundrente (Bürgerschaftswahlen sind im Februar) weitermachte. In der Großen Koalition sei das Thema ja umstritten, sie sei auf jeden Fall gegen die Bedürftigkeitsprüfung. Eine Friseurin, die 40 Jahre zum Mindestlohn gearbeitet hat, bekäme aktuell gerade mal 513 Euro Rente. Dass bei der Zahnarztgattin, die immer als Argument für eine Prüfung benutzt werde,  mit dem Gehalt des Mannes argumentiert würde, sei einfach nicht zeitgemäß!

Bei der Pflegeversicherung gäbe es eine Initiative von Hamburg aus, dass der Eigenanteil gesenkt und eingefroren wird. Die CDU-regierten Länder wollten das bisher auf Anraten von Jens Spahn nicht. Bei den pflegenden Angehörigen seien unbedingt Steuerzuschüsse notwendig. Die Pflegebedürftigkeit dürfe nicht mit Altersarmut korrelieren.

Um Altersarmut ging es dann auch im zweiten Teil der Veranstaltung – wobei das wohlhabende Hamburg gleichzeitig Hauptstadt der Altersarmut ist. Dr. Matthias Barke, SPD-Mitglied im Bundestag, kritisierte, dass Winterkorn z.B. in der Woche so viel verdienen würde, wie Angela Merkel im ganzen Jahr. Und stellte fest: „Wer über Armut redet, muss auch über Reichtum sprechen. Dabei sei Armut für Jüngere oft vorübergehend, man könne etwas ändern. Für Ältere nicht. Um private Altersvorsorge kümmern sich die wenigsten. Viele Löhne seien aber immer noch zu niedrig. 6 Millionen Menschen seien davon betroffen, dass die Krankenkassenbeiträge der Betriebsrente seit 2004 voll versteuert würden. An dem Thema würde man zusammen mit der CDU arbeiten.

Karin Rogalski-Beeck, Vorstand des Landes-Seniorenbeirates (LSB), fordert für den LSB einen System-Wechsel: Selbstständige und Beamte sollten alle zusammen in die Rentenkasse einzahlen müssen. In den Niederlanden, in Österreich, Skandinavien und in der Schweiz sei das System besser als bei uns. Die Mütterrente habe ihr übrigens gar nichts gebracht, sie wurde gleich von der Witwenrente abgezogen.

In der abschließenden Diskussion ging es hoch her, viele Rentner*innen erzählten von ihren niedrigen Einkommen, die HVV-Preise schließen Menschen vom gesellschaftlichen Leben aus, hieß es. Ein Paar, das jetzt in eine Pflegeeinrichtung umziehen muss, kommt auf ein Taschengeld von 114 Euro. Von Teilhabe könne da ja wohl keine Rede mehr sein, sagten die beiden…

Spannende Veranstaltung mit vielen Infos auf allen Seiten. Die Referent*innen freuten sich auf jeden Fall über die rege Diskussion und nahmen einiges für ihre weitere Arbeit mit.

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