Protokoll der Sitzung Grüne 60plus vom 20.10.22 (18.00-19.50 Uhr)

Teilnehmer*innen: In der Landesgeschäftsstelle anwesend: Ulrike Litschel Jörg Rossbach, Ursula Jäger (Protokoll)

Per Video dabei: Berthold Bose (ver.di), Wolfram Evermann (zeitweise), Marius Kiemer, Silke Schönherr, Parvin Schröder, Andrea Witt-Winkler

Heute haben wir als Gast Herrn Berthold Bose von ver.di dabei, den wir herzlich begrüßen. Er hält einen einführenden Vortrag zum Thema „Altersarmut“ und „Wie kommen wir durch den Winter“. Zunächst aber überbringt er die erfreuliche Botschaft, dass die Energiepauschale von € 300,00 nun auch für Rentner*innen und Studierende gezahlt werden wird. Herr Bose sieht das Thema Altersarmut, Vereinsamung und Teilhabe unmittelbar miteinander verknüpft; auch andere Verbände und die Kirchen berichten davon. Er spannt einen Bogen um folgende Punkte:

Altersmut führt zu Einsamkeit (wobei der Fokus der Politik momentan mehr auf „Einsamkeit“ als auf „Altersarmut“ liegt)

Durch Teilzeit schlechtere Rente (meist Frauen)

Keine Perspektive für Senior*innen

Grundsicherung: € 21,00 mehr?

Hohe Kosten für Energie und Lebensmittel – wie sollen Rentner*innen mit niedriger Rente zurechtkommen?

Energieausgleich auch für Rentner*innen

Bürgergeld: sog. Schonvermögen auch für Rentner angleichen

Mobilität: Nachfolge für das € 9,00 Ticket?

Altersarmut und alles, was damit zusammenhängt, hat mit niedrigen Löhnen, aber auch mit unserem Sozial- und Rentensystem zu tun. Wir alle kennen Menschen, die jeden Cent umdrehen müssen und jeden Tag überlegen, ob sie sich dies oder jenes noch leisten können. Wenn Menschen sich nicht mehr eine – z.b. kulturelle Teilhabe –  leisten können, führt auch dies zur Vereinsamung.  Herr Bose berichtet von Erkenntnissen aus Polen, dass dort die Familie/Verwandtschaft einspringt, wenn bei Angehörigen das Geld nicht mehr reicht. Da wir in Deutschland andere Verhältnisse haben und die Familienverbünde nicht mehr in dem Maße existent sind, ist letztlich jeder auf sich gestellt. Er hält das aktuelle Rentensystem für bedenkenswert, da es darum gehen sollte/müsste, dass diejenigen, die auf sich allein gestellt sind, mit ihrer Rente auch auskommen können sollten. Es darf nicht sein, dass Menschen als Bittsteller um Ausgleich für eine zu niedrige Rente nach 40-45 Jahren Arbeitszeit bitten müssen. Die Politik zieht sich hier oft auf den Standpunkt „wir haben doch gerade nachgebessert“ zurück. Es müsste aber die Finanzierung im Zusammenhang mit sozialem Ausgleich überdacht und ggf. neu geregelt werden. Das bedeutet z.b. mehr Einzahler in die Rentenkasse, Neuordnung und dass auch auf die Beamten und Beamtinnen geschaut wird. Dazu bräuchte es eine offene Diskussion, auch mit letzterem Personenkreis. Große Vermögen und große Einkommen sollten ggf. anders besteuert werden, um hier mehr Reserven zu schaffen. Auch die jungen Leute sollten in diese Diskussion einbezogen werden, obwohl dies für diese Altersgruppe alles noch sehr weit weg scheint. Wir müssen diese Themen in die Mitte der Gesellschaft tragen. Dies muss parteiübergreifend auf allen Ebenen diskutiert werden. Das altersgerechte Arbeiten wäre genauso neu zu überdenken. Auch eine Veränderung des Arbeitslebens könnte dazu beitragen, mehr Rente zu finanzieren.

Wenn wir ein Leben im Alter in Würde ermöglichen wollen, dürfen wir keine Unterschiede machen und Programme auflegen, z.b. wenn es um Energiekosten geht. Diese Kosten hat jede/r. Renten sind ja nicht überproportional angehoben worden. Allerdings kann der Staat auch nicht für alles einstehen. Jede/r muss – im Rahmen seiner Möglichkeiten – seinen Teil dazu beitragen. Dennoch reicht ein Abschlag von einem Monat nicht aus, um die steigenden Energiekosten abzufedern. Herr Bose plädiert für einen zweiten, wenn nicht gar dritten Abschlag, um das Zeitfenster bis zum Strompreisdeckel/Gaspreisdeckel zu überbrücken. Dies sollte auch in der parlamentarischen Beratung berücksichtigt werden, wobei er ausdrücklich betont, dass das, was die Ampel bis jetzt auf den Weg gebracht hat, sehr gut ist. Dies hat auch Auswirkungen für die Mobilität und das Nachfolgemodell vom € 9,00 Ticket – jetzt mit dem € 49,00 Ticket bundesweit, ist ein richtig guter Schritt. Dennoch werden sich auch dies etliche Menschen nicht leisten können. Hier bräuchte es Instrumente in den Ländern, um dies zu ermöglichen. Das führt jedoch auch zu einem Defizit bei den Einnahmen des ÖPNV.

Ein Bürgergeld und/oder das sog. Schonvermögen muss unabhängig vom Alter sein. Hier darf es keine Unterschiede geben.

Es bräuchte z.b. auch eine Alternative zur Tafel, damit Menschen, die sich nicht mehr ausreichend mit Lebensmitteln versorgen können, nicht hungern müssen und ohne Scham einkaufen können. Hier gibt es Modelle aus anderen Ländern, die man sich ansehen könnte, um sie ggf. auch in Deutschland zu etablieren. Es gilt, Menschen aus der Isolation herauszuholen. Die Werte der Sozialgesellschaft sollten wieder stärker in den Fokus gerückt werden – dies betrifft alle Generationen.

In der folgenden Diskussion äußert sich Andrea zum Thema altersgerechtes Arbeiten und schlägt vor, hier die jüngeren Arbeitnehmer*innen mit einzubeziehen. Hier könnte sich auch die Gewerkschaft einbringen. Dies Thema wird von Herrn Bose auch bekräftigt. Parvin berichtet, dass bei einer prozentualen Lohnerhöhung auch die Rente entsprechend steigt. Dadurch würden aber Gutverdiener mehr begünstigt, als solche aus den niedrigeren Lohnsektoren. Herr Bose verweist in seiner Antwort darauf, was ein Rentenpunkt wert ist. Hier wäre eine Mindestrente sinnvoll, unabhängig vom Wert der Rentenpunkte. Marius plädiert dafür, die Rentenmodelle nicht nur national, sondern auch europäisch zu betrachten, zumal es etliche Arbeitnehmer*innen gibt, die im Laufe ihres Arbeitslebens auch im Ausland gearbeitet haben. Das kann dazu führen, dass man am Ende des Arbeitslebens eine Rente in Deutschland erhält, die nicht dem tatsächlich geleisteten Umfang der Arbeitszeit entspricht. Herr Bose berichtet, dass es dazu Ideen gegeben habe, die dazu führen könnten, dass die Rente am Ende aus einem gemeinsamen Topf bezahlt würde, allerdings gibt es dazu bislang keine belastbaren Ergebnisse. Eine zusätzliche Einzahlung eines/einer Einzelnen ist nur begrenz möglich und birgt ggf. auch steuerliche Nachteile. Silke fragt nach der Vermögenssteuer bzw. die Anpassung der Erbschaftssteuer. Herr Bose antwortet, dass die Vermögenssteuer abgeschafft wurde mit dem Argument, es lohne sich nicht. Ver.di steht für eine Vermögens- und auch die Erbschaftssteuer, insbesondere bei großen Vermögen. Silke fragt außerdem nach, warum Mieter nicht wissen, was an Gaspreiserhöhung auf sie zukommt. Herr Bose antwortet, dass bei Vermietungen im öffentlichen Wohnungsbau eine Prognose gegeben werden könnte; bei privaten Mietverhältnissen funktioniert dies allerdings nicht, da diese Vermieter oft selbst noch gar nicht wissen, wie die Erhöhung ausfallen wird. Dies wird dann erst bei der Jahresabrechnung sichtbar. Ulrike fragt nach dem Rentenmodell in Österreich. Dies scheint ausgewogener zu sein, da es aus Steuern finanziert wird. Außerdem verweist sie auf die Ungleichstellung der Renten von Männern und Frauen. Herr Bose antwortet, dass auch in Österreich inzwischen dieses Rentenmodell kaum mehr finanzierbar ist. Man müsse sich das genau ansehen, wie und was gut funktioniert. Hier müssten in Deutschland die Rahmenbedingungen für ein solches System überprüft werden. Die Ungleichheit der Rentenauszahlungen an Männer und Frauen liegt auch an ungleichen Einzahlungszeiten (Erziehungszeiten, Pflege von Angehörigen) sowie an Arbeiten im unteren Lohnsektor. Daher ist Altersarmut sehr oft weiblich. Hier müsste – z.b. mit einer entsprechenden Grundrente – ein Ausgleich geschaffen werden. Parvin spricht noch einmal die Rente mit einer prozentualen bzw. einer pauschalen Erhöhung an. Bei einer prozentualen Erhöhung würden Menschen mit niedrigerer Rente wiederum ins Hintertreffen geraten. Herr Bose antwortet, dass dies in den Verhandlungen oft schwierig sei und es mehrheitlich um Prozente ginge. Die soziale Komponente ist dann ein Mindestsatz von 100 oder 200 Euro. Um eine pauschale Änderungen zu vollziehen, bedürfe es einer Gesetzesänderung.

Jörg fragt nach, wie all diese Modelle, die ja viel Geld erfordern, eigentlich gelöst werden können – wo soll das Geld herkommen. Er glaubt, dass dieses Geld aus dem Mittelstand von den Jüngeren und den kleinen Einkommen kommen wird. Wie kann/soll man so verhindern, dass die Gesellschaft auseinanderfällt? Er verweist auf den „Generationenvertrag“ am Beispiel von Japan (siehe vorherige Sitzung) – Stichwort „Solidarität in der Familie“. Herr Bose bestätigt diese Befürchtungen bedingt und verweist noch einmal auf seine Aussagen zu einem breiter aufgestellten Steuersystem, um all dies zu finanzieren. Ulrike hat Bedenken, was die Umsetzung all dieser Ideen in der Politik angeht. Dem widerspricht Herr Bose und ist der Überzeugung, dass Gespräche wie unseres heute und weitere dazu führen werden, dass sich etwas ändert. Wir dürfen nicht nachlassen und müssen diese Themen immer wieder auf Tagesordnungen in allen Bereichen setzen.

Nach diesem sehr schönen Schlusswort wird Herr Bose bedankt und verabschiedet.

Verschiedenes:

Ursula berichtet, dass Christa im Urlaub ist und deshalb nicht dabei sein kann. Sie hat an einem Treffen der Bagso in Berlin teilgenommen und hat von Frau Paus, der Ministerin für Familie, Senioren, Jugend und Frauen eine Aussage bekommen, dass diese sich auch verstärkt für die Themen der Älteren einsetzen will.

Ursula fragt nach dem Befinden und den Wünschen der Teilnehmer*innen angesichts der derzeitigen Lage. Parvin verweist noch einmal auf die Situation der Tafeln, die ernste Probleme mit der Lebensmittelausgabe bekommen haben und schlägt vor, doch mal jemand von der Tafel einzuladen um zu schauen, ob wir über die Politik dort unterstützen können.

Andrea spricht das Thema erhöhte Energiepreise an und fragt, warum man, wenn man nicht so schlecht situiert ist, die Energiepauschale nicht an jemanden geben kann, der dessen bedürftig ist. Dazu bedürfe es einer Verknüpfgung von IBAN und Steuernummer, damit nicht wieder nach dem Gieskannenprinzip ausgeschüttet wird. Sie verweist darauf, dass dies in anderen Ländern so gehandhabt wird, dass nach Bedürftigkeit verteilt wird. Ursula plädiert dafür, dieses Thema einmal mit Christa anzusprechen, weil diese sowohl in der hamburgischen Bürgerschaft als auch im Bundesvorstand der Grünen Alten unterwegs ist. Das Thema soll in der nächsten Sitzung noch einmal auf die Tagesordnung.

Silke spricht das Thema Unterstützung an und fragt, ob wir ggf. die Behörden unterstützen können. Das hält Ursula für schwierig, allerdings könne man durchaus auf Defizite aufmerksam machen. Parvin ergänzt, dass es eine Börse für Helfende gibt (z.b. Aktivoli). Auch von denen könnten wir mal jemanden einladen.

Jörg macht sich Gedanken um unsere Partei und spricht die Diskussion auf der BDK über die Atomkraftwerke an. Außerdem beunruhigt ihn die Unsicherheiten bei Anschlägen auf unsere Infrastruktur (wie geschehen bei der Bahn). Dies müsste von der Politik massiv vorangetrieben werden, um uns alle besser zu schützen. Das Thema Kernkraft wird innerhalb der Teilnehmer*innenrunde durchaus kontrovers diskutiert, gerade was die Laufzeit angeht.

Parvin berichtet, dass die BDK auf Phoenix übertragen wurde. Auf der BDK wurde beschlossen, nicht nur die 100 Milliarden für die Infrastruktur aufzuwenden, sondern einen gleichen Betrag für die Umwelt einzusetzen. Ob und wie das umgesetzt wird, blieb offen. Die Belange der Älteren wurden auf der BDK überhaupt nicht thematisiert und der Antrag, den die Grünen Alten gestellt hatten, kam im Ranking nur auf Platz 24 und damit nicht unter die 10, die behandelt werden sollten.

Ursula berichtet kurz von den Anfängen der 60plus in Eimsbüttel. Es wurden Sprecher*innen gewählt und das Thema Age-friendly-City mit all seinen Facetten für den Bezirk steht ganz oben in der Planung. Ulrike ergänzt, dass die Gruppe in Altona nicht so gut besucht wird. Ursula gibt den Hinweis, Einladungen über den Kreisvorstand verschicken zu lassen und auch über einen Mailverteiler (in Eimsbüttel funktioniert das und in Wandsbek auch), um noch mehr Interessierte zu gewinnen.

Ursula schlägt vor, die Dezembersitzung als geselliges Treffen durchzuführen, d.h. ggf. auf einem Weihnachtsmarkt oder in einem Lokal, um so das Jahr ausklingen zu lassen. Details können wir auf der nächsten Sitzung besprechen.

Bitte vormerken: Nächste Sitzung: 17.11.2022 um 18.00 Uhr.  Die Sitzung findet voraussichtlich wieder hybrid statt, d.h. es können Teilnehmer*innen in die Landesgeschäftsstelle, Burchardstraße 19/3. OG, kommen – oder aber von zuhause am Computer teilnehmen. Details erhaltet ihr mit der Einladung

gez. Ursula Jäger /22.10.2022

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