Selbstbestimmt, aktiv und gesund Älterwerden…

…Wie internationale und nationale Altenpolitik zusammenwirken können. Unter diesem Titel fand gerade eine spannende Veranstaltung der BAGSO (Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen) in Berlin statt.

BAGSO-Chefin Dr. Regina Görner stellte gleich zu Anfang fest, dass die Gesellschaft immer noch nicht richtig begriffen hat, wie wichtig Altenpolitik ist. Und das gilt für alle Industriegesellschaften, denn der demographische Wandel findet überall statt. 

Das meist gegoogelte Wort im diesem Zusammenhang ist übrigens „Problem“ ! Dabei, so Regina Görner, liegen im demographischen Wandel auch viele Chancen, deshalb sollten wir die internationalen Erfahrungen unbedingt im Blick haben. Und auf jeden Fall jetzt reagieren, denn wir haben keine Zeit zu warten!

Die internationale Altersbewegung ist allerdings nicht so ganz einfach zu durchschauen, da geht es um MIPAA, um RIS, um die AGE Plattform Europe, um GAROP oder OEWG‑A – da schwirrt einem schnell der Kopf!

Die Altersgruppe 80plus wächst am schnellsten

Dr. Manfred Huber, Regional Officer Altern und Gesundheit bei der WHO aus Kopenhagen, warb für die Förderung der Age-friendly Cities and Communities, der altersfreundlichen Städte und Gemeinden. Denn bereits 2024 wird die Gruppe der über 65-Jährigen größer sein als die der unter 15-Jährigen. Und die Altersgruppe 80plus wächst am schnellsten. Darauf sollten wir vorbereitet sein!

Die WHO hat dazu aktuell 4 Flaggschiff-Initiativen:

-Digitale Gesundheit

-Impfagenda Europa

-Bündnis psychische Gesundheit

-Gesundheitsverhalten

In Hubers Augen wird unser Gesundheitsverhalten immer wichtiger, um gesund älter zu werden. Und das Vertrauen in die Gesundheitspolitik sei notwendige Voraussetzung für eine Verhaltensänderung. 

Was gut ist: Das Bundesministerium für Gesundheit hat die Initiativen der WHO bisher sehr unterstützt, viel wurde in diesem Bereich deshalb auch auf Deutsch publiziert.

Prof. Heidrun Mollenkopf vom Vorstand der BAGSO und Mitglied der Arbeitsgruppe OEWG‑A (=Offene Arbeitsgruppe zu Fragen des Alterns innerhalb der Vereinten Nationen) wies auf die Ministererklärung anlässlich der 20jährigen Bestehens des Madrider Altenplans hin, die in Rom verabschiedet wurde und die weltweit gilt. 

Entwicklung internationale Altenpolitik

Klingt kompliziert, oder? Deshalb hier erstmal ein kurzer Rückblick in Sachen internationale Altenpolitik: 

1982 fand die Erste Weltversammlung zu Fragen des Alterns in Wien statt, die zur Verabschiedung des Ersten Weltaltenplans (Vienna International Plan of Action on Ageing) führte. Das erste umfassende UN-Dokument, das den Mitgliedsstaaten Orientierungshilfe für ihre Altenpolitik gab. 

1990 rief die UN-Generalversammlung den 1. Oktober zum „Internationalen Tag der älteren Menschen“ aus – den haben wir in Hamburg auch ausgiebig mit Vorträgen im Michel und Party im Knust gefeiert!

1991 verabschiedete die Generalversammlung fünf Grundsätze für ältere Menschen: Unabhängigkeit, Teilhabe, Pflege, Selbstverwirklichung und Würde. 

2002 fand die zweite Weltversammlung in Madrid statt. Und es wurde der Zweite Weltaltenplan verabschiedet (MIPAA=Madrid International Plan of Action on Ageing), der nun auch die weniger weit entwickelten Regionen der Welt einbezog. 

MIPAA sollte Richtschnur sein, und die Länder sollten darauf aufbauend regionale Strategien (RIS=Regionale Implementierungsstrategien) und Aktionspläne erarbeiten. 

Zurück zur Ministererklärung:

Die, so Prof. Mollenkopf enthielte zwar viele wichtige Punkte wie z.B. die Themen Gewalt, Missbrauch und Vernachlässigung, Digitalisierung oder Langzeitpflege. In ihren Augen geht sie allerdings nicht weit genug, da viele Fragen offen bleiben: Wie gehen wir mit älteren Geflüchteten um, die zu uns kommen? Mit alten Menschen im Krieg, die das Land nicht verlassen können? Was ist mit den Älteren, die in den 50er Jahren zu uns gekommen sind? Mit Ageism, also Altersdiskriminierung? 

Dr. Claudia Mahler, vom UN-Menschenrechtsrat ernannte, unabhängige Expertin für die Rechte älterer Menschen ist deshalb überzeugt, dass wir unbedingt die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen müsse, um die Rechte älterer Menschen umsetzen. 

Also z.B. eine Altenrechtskonvention, die auch wirklich verbindlich ist. 

In der abschließenden Podiumsdiskussion konnte ich meinen Blick als Senior*innenpolitische Sprecherin in der Hamburgischen Bürgerschaft einbringen. Auch in der Landespolitik macht es einen großen Unterschied, ob wir verbindlichen Vorgaben wie beispielsweise die UN-Behindertenrechtskonvention haben, die Barrierefreiheit bei Neubauvorhaben oder abgesenkte Bordsteine garantiert oder unverbindliche Konzepte wie das Age-friendly Cities und Communities der WHO. Für letztere ist viel Überzeugungsarbeit notwendig, um sie politisch umsetzen zu können.

Internationale Ideen haben es generell nicht unbedingt leicht auf der kommunalen Ebene. Besonders wenn sie mit englischen Begriffen bezeichnet werden, da die Anglizismen oft einen starken Abwehrreflex hervorrufen. 

Am besten die Übersetzung immer gleich mit anbieten.

Inhaltlich besteht am WHO-Projekt allerdings bei älteren und auch jüngeren Menschen sehr großes Interesse. In Hamburg bieten wir deshalb ein umfassendes Beteiligungsformat in 17 ganz unterschiedlichen Stadtteilen an und fragen:  Wie altersfreundlich ist Ihr Stadtteil? Im Schnitt kommen 30 bis 50 Ältere zu den Workshops, um von ihren Wünschen, Visionen und Sorgen zu erzählen. 

Wen wir bisher leider so gut wie gar nicht erreichen, sind Menschen mit Migrationshintergrund. Das müssen wir ändern, wenn wir alle beim gesunden Älterwerden mitnehmen wollen!

Text von Christa Möller-Metzger

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