Ein Artikel aus der digitalen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 22.04.2017 http://sz.de/1.3470724
Von Heribert Prantl
„Als die Bundesrepublik am jüngsten war, wurde sie vom Ältesten regiert. 73 Jahre alt war Konrad Adenauer, als ihn der Deutsche Bundestag zum ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik wählte. Jeder seiner Nachfolger war in dem Alter, in dem Adenauer erst anfing, schon lang nicht mehr im Amt – Ludwig Erhard war 69, als er aufhörte, Kurt-Georg Kiesinger 65, Willy Brandt 60, Helmut Schmidt 63, Helmut Kohl 68 und Gerhard Schröder 61; Angela Merkel wird bei der Wahl im September 63 sein. Adenauer aber war ein verknitterterer Greis von bald 88 Jahren, als er nach 14 Regierungsjahren 1963 zurücktrat – widerwillig, kampfeslustig, politikbesessen, voll von Plänen und voll von Sorgen über die Zukunft der deutsch-französischen Freundschaft und die Zukunft Europas. Für die Zeitgenossen, die Adenauer schon bald mit Bismarck verglichen hatten, schien es damals fast so, als sei ihr Kanzler unsterblich. Der Alte aus Rhöndorf hatte sie vom deutschen Wiederaufbau bis ins deutsche Wirtschaftswunder begleitet.
Die Stoibers, die Epplers und die Geißlers machen überall Politik. Nur nicht im Parlament
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Otto von Bismarck war, verglichen mit Adenauer, ein junger Hupfer, als er hundert Jahre früher die deutsche Geschichte in den Griff nahm: Bismarck war 52, als er Kanzler wurde; und er war 75, als er im Jahr 1890 nach 23 Regierungsjahren abtrat. In dem Alter, in dem der Eiserne Kanzler dann als Einsiedler im Sachsenwald den ersten Band seiner Memoiren fertig geschrieben hatte, fing Adenauer gerade erst zu bundeskanzlern an. Es wäre für die deutsche Geschichte besser gewesen, der alte, staatskluge Bismarck hätte weiterregiert; es wäre besser gewesen, er wäre nicht als Pensionär, sondern als Reichskanzler älter geworden; es wäre besser gewesen, Kaiser Wilhelm II. hätte seine Drohung nicht wahrmachen können: „Sechs Monate will ich den Alten verschnaufen lassen, dann regiere ich selbst.“ Bismarcks Befürchtungen über den jungen Kaiser wurden nämlich Wirklichkeit: Der sei ein junger „Brausekopf, könne nicht schweigen, sei Schmeichlern zugänglich und könne Deutschland in einen Krieg stürzen, ohne es zu ahnen und zu wollen“.
Man lernt: Jung ist nicht per se gut und alt ist nicht per se schlecht. Dass Alter vor Torheit nicht schützt – das lernt man heute etwa bei US-Präsident Donald Trump, 70, und beim AfD-Politiker Alexander Gauland, 76. Ein anderer Alter im Weißen Haus, Ronald Reagan, hat freilich einmal mit Schlagfertigkeit und Witz die Präsidentenwahl gewonnen. In der zweiten TV-Debatte mit seinem klugen demokratischen Konkurrenten Walter Mondale, damals 56, wurde Reagan, damals 73, befragt, ob er trotz seines Alters auch Stresssituationen gewachsen sei. Reagan erklärte genüsslich: „Auch ich werde das Alter nicht zum Thema dieses Wahlkampfs machen. Ich will für politische Zwecke nicht Jugend und Unerfahrenheit meines Opponenten ausschlachten.“ Er hatte die Lacher auf seiner Seite. Der Satz hätte auch vom alten Adenauer sein können. Manchmal sind die Alten jung, und die Jungen wirken sehr viel älter, als sie sind.
Als Adenauer zu regieren anfing, lag das Durchschnittsalter der Bevölkerung in der Bundesrepublik bei 34 Jahren. Heute liegt es bei 45. Das Durchschnittsalter der Parlamentarier ist aber mit dem Durchschnittsalter der Bevölkerung nicht gestiegen; es liegt heute bei etwa 49. Die Abgeordneten im Bundestag werden im Durchschnitt jünger; und die Alten im Parlament werden immer weniger. Hans-Jochen Vogel, er ist heute mit 91 der älteste noch lebende Bundesminister a.D., klagte schon 1992 in seiner letzten Periode als Abgeordneter im Bundestag: „Mit meinen 66 Jahren bin ich nach Willy Brandt bereits der zweitälteste in meiner Fraktion und der achtälteste im Bundestag“; früher einmal, so Vogel, seien die jungen Jahrgänge im Parlament unterrepräsentiert gewesen, was sich negativ auf die Interessenvertretung der Jugend ausgewirkt habe; jetzt drohe eine Vernachlässigung der Senioren-Anliegen durch ein zu junges Parlament. Ähnlich klagt heuteWolfgang Schäuble.
Adenauer hatte sein Parlamentsmandat bis zu seinem Tod vor fünfzig Jahren inne, da war er 91. Willy Brandt war immerhin noch mit 78 Jahren Parlamentarier, er starb mit knapp 79. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble MdB gehört derzeit mit 74 Jahren zu den Ausnahmen, die eine heute geltende ungeschriebene Regel bestätigen: Es hat sich eingebürgert, dass sich ein Volksvertreter beim Erreichen der üblichen Altersgrenze im Erwerbsleben, also mit 65, so allmählich aus dem Hohen Haus zu verabschieden hat.
Deutschland wird immer älter. Aber wer vertritt eigentlich die Alten und die sehr Alten? In der vergangenen Legislaturperiode sind erfahrene Abgeordnete wie Franz Müntefering, damals 73, ausgeschieden. Am Ende dieser Legislaturperiode wird Hans-Christian Ströbele mit 78 aufhören.
„Der Deutsche Bundestag repräsentiert das Volk“ heißt es auf der Homepage des Bundestags. Gehören die über Siebzigjährigen, gehören die über Achtzigjährigen nicht dazu? Brauchen sie keine Vertretung? Müssen sie sich mit der sogenannten passiven Repräsentationsthese begnügen, die besagt, dass sich ältere Menschen von jüngeren in ihren Interessen adäquat vertreten fühlen dürfen? Stehen die Alten sozusagen unter politischer Gebrechlichkeitspflegschaft, auch wenn sie gar nicht gebrechlich sind?
Die Gesellschaft wird immer älter, die Lebenszeiten von heute haben sich den Jahreszeiten angenähert. Früher bestand ein Leben aus Frühling, Sommer und Winter, also aus Kindheit, Arbeit und Sterben. Mit den geschenkten Jahren ist nun ein langer Herbst dazu gekommen – noch eher öde für viele, schon golden für manche. Das große und lange Altern ist offenbar so neu, dass die Menschen es noch gründlich lernen müssen. Das gilt nicht zuletzt für die Parlamente. Es ist wenig sonderbar, wenn die Alten, wenn die Stoibers, die Epplers und die Geißlers, fast überall Politik machen – nur nicht dort, wo eigentlich die Politik gemacht werden soll.
Die 65-Jahre-Grenze stammt aus einer Zeit, in der die Menschen nicht so alt wurden wie heute
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Heiner Geißler, CDU-Generalsekretär von einst, er ist heute 87, schreibt Buch um Buch und tourt mit seinen Lesungen durch die Republik. Als er aus dem Bundestag ausschied, war er 72. Von da an sah man ihn statt im Parlament in den Talkshows der Republik, als Schlichter in den diversen Tarifrunden und zuletzt im Konflikt um das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21. Heute ähnelt sein zerfurchtes Gesicht auf frappierende Weise dem des alten Adenauer, über den Rudolf Augstein anlässlich eines Spiegel-Interviews im Jahr 1966 geschrieben hat: „Das ein wenig drachenhaft geschnittene Gesicht besteht nur noch aus tausend Pergamentfältchen.“
Der FDP-Politiker Gerhart Baum ist 84. Mit 62 schied er aus dem Bundestag aus: Er war dann UN-Beauftragter für die Menschenrechte im Sudan, er ist erfolgreicher Rechtsanwalt, vertrat unter anderem die sowjetischen Zwangsarbeiter der NS-Zeit gegen die Bundesregierung. Er leitete mit Herta Däubler-Gmelin (ausgeschieden aus dem Bundestag mit 66, nach 37 Jahren als Abgeordnete) die Ermittlungen zu den Datenskandalen bei der Telekom und der Deutschen Bahn. Baum ist, zusammen mit dem 86-jährigen Burkhard Hirsch (dem ehemaligen Vizepräsidenten des Bundestags, ausgeschieden dort mit 68) einer der erfolgreichsten Kläger vor dem Bundesverfassungsgericht gegen staatliche Überwachungsgesetze. Die Urteile des höchsten Gerichts etwa zum Luftsicherheitsgesetz, zur Vorratsdatenspeicherung und zum großen Lauschangriff gehen auf ihre Klagen zurück – und auf die der ehemaligen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die sich mit 62 Jahren aus dem Bundestag verabschiedet hat.
Ist ein Parlament repräsentativ, wenn die Alten nur noch ein Prozent stellen?
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Es gibt für Politiker (für Abgeordnete, Minister, Ministerpräsidenten und Bundeskanzler) keine feste Altersgrenze. Insofern sind sie freier als andere, die sich mit einer fixen Altersgrenze abfinden müssen. Aber die fixe allgemeine Altersgrenze prägt den Blick, mit dem auf diejenigen geschaut wird, für die es eigentlich keine Altersgrenze gibt. Die 65-Jahre-Grenze stammt aus einer Zeit, in der die Menschen noch nicht so alt wurden wie heute, aus einer Zeit, in der man mit 65 steinalt war. Gleichwohl hat zum Beispiel der Bayerische Verfassungsgerichtshof diese strikte Altersgrenze für hauptamtliche Bürgermeister und Landräte noch im Jahr 2012 so kompromisslos verteidigt, wie vor hundert Jahren in Europa die Staatsgrenzen verteidigt wurden. Das war eine bedenkliche Entscheidung, weil sie mit dem Verbot der Altersdiskriminierung kollidiert, die seit Dezember 2009 ausdrücklich in der Europäischen Grundrechtecharta verankert ist. Sollte es nicht der Wähler entscheiden, ob ihm der Kandidat zu alt oder zu jung ist?
Mittlerweile haben der Gesetzgeber in Bayern und der in Baden-Württemberg die Altersgrenzen für Bürgermeister erhöht – sie dürfen künftig bis zu ihrem 68. Geburtstag (in Bayern bis zum 67.) gewählt werden und dann bis zu ihrem 73. Geburtstag im Amt bleiben. In Stuttgart wird deshalb nun der grüne Oberbürgermeister Fritz Kuhn im Jahr 2020 noch einmal antreten können. In Bayern durfte dagegen der Münchner SPD-OB Christian Ude bei der Wahl von 2014 nicht mehr antreten, weil die neue bayerische Altersregel erst vom Jahr 2020 an gilt. In Nordrhein-Westfalen und in Hessen sind die Altersgrenzen ganz abgeschafft worden.
Ein Siebzigjähriger lässt sich im Bundestag nicht so einfach herumkommandieren
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Gewiss: Die Demokratie lebt von Wechsel und Wandel. Es ist nicht unbedingt gut, wenn Bürgermeister und Landräte jahrzehntelang, wenn sie also vier und fünf Perioden lang regieren; in Bayern ist eine Amtszeit sechs Jahre lang, anderswo noch länger. Solche demokratieunfreundlichen Ewigkeiten sollte man aber nicht mit starren Altersgrenzen verhindern, sondern damit, dass man nur eine zweimalige Wiederwahl zulässt.
Alte wie Heiner Geißler und Gerhart Baum sähe man eigentlich ganz gern im Bundestag: nicht nur, um dort dann die Alten zu vertreten, sondern ihrer Erfahrung wegen – und wegen ihrer Unabhängigkeit. „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages … sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“, so heißt es im Grundgesetz. Von einem siebzig- und achtzigjährigen Abgeordneten ist diese Unabhängigkeit eher zu erwarten als von einem vierzigjährigen, der noch die Karriere machen will, die der Siebzig- und Achtzigjährige schon hinter sich hat. Aber gerade das ist ja womöglich den Partei- und Fraktionsführungen suspekt: dass da wilde Alte im Parlament sitzen, die sich der Fraktionsdisziplin nicht mehr automatisch unterwerfen; die sich nicht so leicht führen und disziplinieren lassen; die keine Angst davor haben, deshalb für den nächsten Bundestag nicht mehr auf die Liste zu kommen. Aber: Ist ein Parlament repräsentativ, wenn die Alten nur noch ein Prozent der Abgeordneten stellen, obwohl sie 15 Prozent der Bevölkerung ausmachen?
Roman Herzog hat einst vor der „Rentnerdemokratie“ gewarnt, einer Demokratie, in der immer mehr Ältere im Ruhestand einer immer kleineren Gruppe von jüngeren Erwerbstätigen gegenüberstehen. Ist Masse Macht? In parlamentarischer Vertretungsmacht spiegelt sich die Masse jedenfalls nicht wider. Die Geburtsjahrgänge der Achtundsechziger stellen zwar in CDU, CSU und SPD das Gros der aktiven Parteibasis, sind aber in den höheren Führungsgremien der Parteien und in den Parlamenten unterrepräsentiert. Letzteres mag dem Wunsch der Älteren entspringen, es ruhiger zu haben und sich selbst aus den vorderen Schusslinien der Politik zu bringen, es mag dies aber auch den Erwartungen einer juvenil orientierten Gesellschaft entsprechen.
Der Spottsatz, der einst über das Europaparlament gesagt wurde, hat immer noch altersdiskriminierende Kraft: „Hast du einen Opa, schick ihn nach Europa.“ Der Satz ist vierzig Jahre alt, er stimmt schon lange nicht mehr; aus einem Repräsentier-Parlament ist seit seiner ersten Direktwahl im Jahr 1979 ein Arbeitsparlament geworden, das auch Sprungbrett für junge Abgeordnete ist, zurück in die nationalen Regierungen und an deren Spitze. Trotzdem: Der politische Opa wurde und blieb eine parlamentarische Witzfigur.
Es gehört offenbar zum Schicksal eines Berufspolitikers, dass er es kaum je recht machen kann: Zeigt er zu heftig, wie viel Freude ihm sein Amt macht, versucht er also, mit aller Macht und mit vielen Mitteln sich in diesem Amt zu halten, dann gilt er schnell als einer, der am Sessel klebt, der halt nichts anderes gelernt hat, der sich ein Leben außerhalb der Politik nicht vorstellen kann und schon daher für die Politik eigentlich nicht geeignet sei. Sagt er aber, dass es nun, nach doch sehr vielen Jahren in der Politik, genug sei, dann wirft man ihm – so er noch nicht richtig alt, sondern erst Mitte fünfzig ist – die Flucht aus der Verantwortung und noch Schlimmeres vor (wie das dem Hamburger Bürgermeister Ole von Beust widerfuhr und auch Roland Koch, als der im Alter von 53 vom Ministerpräsidentamt in Hessen an die Spitze des Baukonzerns Bilfinger wechselte). Es gibt eine Dialektik des Vorurteils: Solange die Leute im Amt sind, wird ihnen angekreidet, dass sie vor allem von der Politik, aber nicht für die Politik leben. Wenn sie dann nicht, wie allgemein erwartet, mit so Ende sechzig, sondern unerwartet früh abtreten, so um die fünfzig, wird ihnen vorgehalten, dass sie offenbar nicht wirklich „für die Politik“ gelebt hätten. Man sollte Politiker als Politiker so alt werden lassen, wie sie wollen – solange sie gewählt werden.
„Während des Bundestagswahlkampfs im Jahre 1961 war viel von seinem Alter die Rede gewesen“, schreibt Anneliese Poppinga, die Sekretärin Adenauers, in ihren Erinnerungen. Damals war Adenauer 85: „Es hatte geheißen, er sei alt, darum müsse er ‚da oben weg‘.“ Und dann fährt Poppinga fort: „Viele Ressentiments, die sich gegen den Bundeskanzler aufgespeichert hatten, so manches politische Motiv, das seine Gegner ins Gefecht führten, erhielt nach außen für die Forderung nach seiner Ablösung das Etikett: das hohe Alter. Sein Alter wurde sein ärgster Feind. Er fand keine Waffe dagegen. Auch in der Abschiedsfeier im Plenarsaal des Deutschen Bundestages am 15. Oktober 1963 war von seinem Alter die Rede. Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier erklärte, Konrad Adenauer lege sein hohes Amt jetzt nieder, ‚um dem Gesetz des Kreatürlichen zu gehorchen‘. Immerhin: Er stand im 88. Lebensjahr.“ Der Kanzler, so erinnert sich seine Sekretärin, schien selbst Zweifel an sich bekommen zu haben, er schien zu meinen, in seinem Alter sei es eben natürlich, nicht mehr arbeitsfähig zu sein. „Er war jedoch arbeitsfähig“, beteuerte Poppinga, „mehr als manch einer in sehr viel jüngeren Jahren.“
Ein bisschen mehr Erfahrung, Gelassenheit und Relativierung des eigenen Egos wären schön
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Das „Gesetz des Kreatürlichen“ trifft heute offenbar Politiker früher als früher – ausgerechnet in einer Zeit, in der die Menschen immer älter und die Alten immer fitter werden. Hermann Otto Solms, seinerzeit Bundestagsvizepräsident für die FDP, unterlag bei der Kandidatur für den Bundestag vor vier Jahren einem jüngeren Bewerber in einer Kampfabstimmung. Damals war er 72. Bei der Kommunalwahl im März 2016 kandidierte Solms dann auf dem letzten Platz der FDP-Liste für den Kreistag des Landkreises Gießen. Durch das dabei zulässige Kumulieren wurde er ganz nach vorne, auf Platz vier, in den Kreistag gewählt und dort dessen Alterspräsident. Daraufhin gab Solms bekannt, nun bei der Bundestagswahl 2017 erneut anzutreten. Seine Kandidatur will er auch als Ermutigung für ältere Menschen verstanden wissen, sich gesellschaftlich zu engagieren.
Bernhard Vogel (CDU) und Hans-Jochen Vogel (SPD), die beiden alten Brüder, haben miteinander ein Buch geschrieben, das neckisch „Deutschland aus der Vogelperspektive“ heißt. Ganz unneckisch: Ein bisschen mehr Vogelperspektive, also die Erfahrung, die Gelassenheit, auch die Relativierung des eigenen Egos, wie sie dem Alter oft eigen ist, wären für die Parlamente und die Politik gar nicht schlecht. Man muss es mit dem Lob des Alters ja nicht gleich so heftig treiben, wie es die Lyrikerin Friederike Mayröcker, Jahrgang 1924, getan hat. Sie bekannte in einem Interview im SZ-Magazin: „Ich bin erst mit Mitte 70 ein wirklicher Mensch geworden.“
Prof. Dr. Heribert Prantl
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Prof. Dr. Heribert Prantl ist Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung und Leiter des Ressorts Innenpolitik. Er lehrt zudem als Honorarprofessor für Rechtswissenschaft an der Universität Bielefeld. Er hat Recht, Geschichte und Philosophie studiert, parallel dazu eine journalistische Ausbildung gemacht und im Urheberrecht promoviert. Bevor er 1988 als rechtspolitischer Redakteur zur SZ ging, war er Staatsanwalt und Richter in Bayern – und hat dort alles verhandelt, was es in der Juristerei so gibt, Ehesachen ausgenommen. Er liebt die Musik seines oberpfälzischen Landsmanns Christoph Willibald Gluck. Wenn er die hört, legt er Romane, Geschichtsbücher, die „Reine Rechtslehre“ und sogar die Süddeutsche Zeitung beiseite. “