Student*innen im Pflegeheim

Heimbewohner*innen beim Selfiemachen

Gea Sijpkes, Heimleitern aus Deventer in Holland, erzählt mitreißend und voll engagiert, wenn es um ihr Projekt geht: Sie übernahm vor sechs Jahren ein Pflegeheim und hatte immer den Traum, es anders zu machen. Die Menschen, die bei ihr wohnten, sollten sich wirklich wohl fühlen. Ihr Motto: Liebe, gemeinsam, positiv.

Bald erkannte sie, dass die Beziehungen untereinander entscheidend sind für das Klima.  „Ich wollte das wärmste Haus von allen werden – und das geht nicht mit Geld. Aber mit Jugend.“ Deshalb fasste sie den Plan, einen Studenten einzuladen, umsonst im Heim zu wohnen. Seine Aufgabe: ein guter Nachbar zu sein. Ob man das darf in einem Heim, hat sie sich nie gefragt,  sie hat es einfach gemacht. Und die Erfahrungen waren von Anfang an gut, deshalb hat sie ihr Programm auf nunmehr sechs Student*innen erweitert. „Die täglichen Gespräche drehten sich schon bald nicht mehr nur um die Schmerzen in Knie oder im Rücken, sondern es interessierte vielmehr die neue Liebe des Mitbewohners. Wo hat er wohl heute Nacht geschlafen? Wann ist er nach Hause gekommen?“ Alle kennen inzwischen Bierpong (man muss mit einem Tischtennisball ein gefülltes Bierglas treffen – und wenn man getroffen hat, austrinken), das wird bei jedem Geburtstag gespielt. Es gibt Rollatoren-Rennen, es wird gekuschelt, zusammen Fußball geschaut, gefeiert, erzählt.

Moderatorin der Körberstiftung(links) und Gea Sijpkes, Pflegeheimleiterin aus Deventer (zweite von rechts)

Ein Student ist abends für das Essen verantwortlich. Das ist alles, was getan werden muss, ansonsten gibt es keine Regeln, die Studenten kommen und gehen, wann sie wollen. Und jede*r macht das, was er als Nachbar*in tun kann und möchte.

Für die Studenten hat das Wohnen im Heim, neben finanziellen durchaus auch andere Vorteile; viele sagen, ihr Leben verzögere sich, alles gehe etwas langsamer.

Dadurch kam Gea auf die Idee, zusätzlich Behinderte aufzunehmen. Die Bewohner*innen helfen sich nun noch mehr gegenseitig, einer kann immer etwas, was die anderen nicht können. Es gibt einen Mitarbeiter, Peter, der für das Alltagsleben zuständig ist. Er geht mit großen Ohren durch die Gänge und versucht, Probleme aufzuschnappen – und  allen beizubringen, sich normal, wie überall sonst auch, zu verhalten. Fällt ihm etwas auf, das andere stört, wird es angesprochen, und man findet gemeinsam eine Lösung. Dadurch spare sie, so Gea, viel Geld für Schulungen ihrer Mitarbeiter*innen.

Win-Win-Situation für Student*innen und ältere Menschen

Einige Bewohner*innen können das Haus nicht mehr verlassen, erleben die Veränderungen, die Jahreszeiten in Deventer nicht mehr. Deshalb kommt das Außenleben zu ihnen. Auf eine große Leinwand werden Fotos aus dem Quartier projiziert, so dass man sieht, was sich gerade tut. Dass der Bäcker umgezogen ist, ein neuer Kiosk aufgemacht hat, wie schön die Montbretien gerade blühen oder dass die Amseln im Heimgarten brüten.

Finanziell ist das Projekt offenbar durchaus realisierbar, die Pflegestufen würden 95% des Hauses auslasten, so Gea. Das bringe ihr 5% Spielraum für ihre Projekte. Kein Heimbewohner müsse dadurch mehr bezahlen als vorher. Aber alle profitierten davon – auch der Staat, weil es allen so viel besser geht. Sie riet allen Interessierten: „Fragen Sie nicht lange, ob Sie dürfen oder können, fangen Sie einfach an. Der Erfolg wird Ihnen bald Recht geben!“

Zum Schluss erinnerte die Moderatorin im Haus-im-Park in Bergedorf, wo die Veranstaltung stattfand, an Prof. Dr. Ursula Lehr, Staatsministerin a.D. und stellvertretende BAGSO-Vorsitzende, die einmal gesagt hatte: „Man hilft Menschen nicht, wenn man für sie tut, was sie noch selber tun können.“ Wie wahr! Was für ein schönes Projekt – davon würde ich mir ganz viele in Deutschland wünschen.

Mehr Infos über Humanität in Deventer gibt es hier (auf Englisch). 

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