
Hier ist Christa Möller-Metzgers Rede vom 8.März 25 zum internationalen Frauentag auf Einladung der Kulturbrücke Hamburg e.V.:
Liebe Freundinnen, überall um uns herum werden gerade Demokratie, Gerechtigkeit, Vielfalt und auch Frauenrechte in Frage gestellt.
Ein Abgeordneter der AfD, der gerade wieder in den Bundestag gewählt wurde, schwadroniert über Echte Männer, die rechts seien. Ein Kollege von ihm bezeichnet „Feminismus als Krebs“.
Die AfD will eine Rückkehr zur „traditionellen Familie“, die als Keimzelle der Gesellschaft gesehen werden – ein Begriff, der auch in der NS-Zeit gern benutzt wurde.
Dabei haben wir doch schon in den 70ern die ersten Frauengruppen gegründet, haben über zu geringe Gehälter diskutiert, über die Möglichkeit, auch mit Kind zu arbeiten, über Verhütung, die Aufteilung der Hausarbeit, über männliche Sprache und weibliche Solidarität, über männliche Netzwerke und weibliche Konkurrenz. Es gab erste Outings…
Und ein Hauptthema waren Schwangerschaftsabbrüche, es ist jetzt mehr als Zeit für ihre Entkriminalisierung!!
Wenn ich zurückschaue, kann ich nur sagen: Ja, wir haben viel erreicht! Aber es gibt starke Bewegungen, die das alles zurückdrehen wollen.
Dabei waren wir ja noch längst nicht am Ende, es ist ja noch so viel zu tun.
Deshalb ist es mir so wichtig, dass wir in unserer Vielfalt eng zusammenstehen –
Und damit meine ich auch das Alter, das beim Thema Diversität leider oft vergessen wird!
Obwohl die meisten Diskriminierungen, die angezeigt werden, das Alter betreffen.
Grau, unattraktiv, unbeweglich, geistig nicht auf der Höhe der Zeit – das ist ein Altersbild, das unterschwellig durch unsere Gesellschaft wabert. Wir werden unsichtbar und aussortiert!
Das fängt schon früh an, z.B. bei der Altersdiskriminierung am Arbeitsplatz, die etwa 14 Prozent der 45- bis 54-jährigen Frauen heute erleben.
Falsche Altersbilder schaden aber dem Selbstbild, das wir von uns haben. Wenn man immer wieder damit konfrontiert wird, führt das zu Krankheit und Gebrechlichkeit.
Man verliert quasi den eigenen Kompass.
Schlimmstenfalls werden wir auch dann nicht ernst genommen, wenn wir mit 68 bei der Polizei eine Vergewaltigung anzeigen wollen – wie es gerade auf der Seite des Familienministeriums beschrieben wurde.
Ältere Frauen kommen auch in unserem Hilfesystem nicht vor. Es gibt keine barrierefreien Schutzwohnungen oder Schutzhäuser mit Pflegedienst.
Auch der Klimawandel ist für Frauen eine besondere Herausforderung – besonders schwangeren und älteren Frauen machen die Hitzewellen mit tropischen Nächten über 20 Grad zu schaffen. Und die werden wir in den nächsten Jahren immer öfter erleben.
Ältere Frauen leben oft allein, und sterben leise in ihren Wohnungen, was niemand bemerkt.
In den letzten 20 Jahren stieg die Zahl der hitzebedingten Todesfälle bei den über 65-Jährigen um weit über 50 Prozent. (53,7)
Die Schweizer Klimaseniorinnen hatten genau deshalb vor dem Europäischen Menschengerichtshof in Straßburg mit ihrer Klage für schärfere Maßnahmen gegen den Klimawandel vor einem Jahr Erfolg.
Auch bei der Flutkatastrophe im Ahrtal war Pflege im Krisenplan nicht mitgedacht.
Auf der Flucht werden Ältere nicht mitgenommen, weil sie nicht mobil genug sind oder sie werden sogar ausgesetzt, weil Armut ein wachsendes Problem ist.
Und überall auf der Welt ist Altersarmut weiblich.
Viele Frauen aus meiner Generation hatten keine gute Ausbildung, in meiner Grundschulklasse waren wir zwei Mädchen, die die Prüfung zum Gymnasium gemacht haben.
Dafür haben diese Frauen meist selbstverständlich die Carearbeit übernommen, für die Kinder und später für die Eltern oder Schwiegereltern – und Hausarbeit und Teilzeitarbeit haben ihren Preis.
In Hamburg verdienen Frauen nach wie vor deutlich weniger Geld als Männer. Der Unterschied zwischen dem Bruttoverdienst pro Stunde lag im vergangenen Jahr bei 5,15 Euro oder 18 Prozent.
Aus dem gender pay gap wird der Gender Pension gap, und viele Rentnerinnen müssen heute von Minirenten leben.
Und der neuen Altersbericht zeigt, dass sie sich dann auch noch schämen, die ihnen zustehende Unterstützung, also Grundsicherung oder Wohngeld zu beantragen.
Besonders schwer haben es ältere Frauen aus der LSBTIQ Community — und ältere Frauen mit Migrationshintergrund, die oft auch wenig Deutsch sprechen und digital abgehängt sind.
Als ich jung war, galt es als spießig, über Rente nachzudenken – und ich wünsche mir sehr, dass die Jüngeren unter euch heute schlauer sind als ich es damals war und ihr heute nicht mehr in die Teilzeitfalle tappt.
Mein größtes Anliegen ist aber: Ich möchte keine Generation gegen die andere ausspielen! Unsere Gesellschaft ist schon genug gespalten.
Lasst uns uns unterhaken und gemeinsam gegen Ungerechtigkeit, Armut und Diskriminierung angehen. Denn Solidarität ist unsere größte Stärke!
Vielen Dank!