Die Deutschen sind erstaunlich zufrieden – das zeigte gerade eine forsa-Umfrage im Auftrag der Körber-Stiftung*1), die während der Konferenz „Arbeit, Rente, unversorgt? Was uns übermorgen erwartet“ vorgestellt wurde. 89 von 100 Befragten halten ihren Arbeitsplatz für sicher, besonders die Jüngeren sehen das so. Jeder zweite würde in seinem Leben nichts anders machen. Generell gab es eine große Bereitschaft zum lebenslangen Lernen und den Wunsch nach Sicherheit, auch im Job. Genauso wichtig wie Sicherheit sind für mehr als 95% ein gutes Betriebsklima und der Sinn der eigenen Arbeit. Dann kommen erst Gehalt und gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Und es gab auch Kritik. 56% sagen, sie seien häufig gestresst, besonders Frauen in der Lebensmitte waren sehr gestresst. Alle wünschen sich mehr Zeit als sie im Moment haben. Im Schnitt wollten alle Teilnehmer*innen etwa 6 Stunden weniger arbeiten als bisher. Das klassische Modell – Mann arbeitet, Frau kümmert sich um die Kinder – wollen nur noch 4% der Befragten. 39% wünschen sich eine partnerschaftliche Teilung aller Aufgaben – die wird aber zur Zeit nur von 4 aus 100 Familien gelebt! In 59% arbeitet die Frau weniger und kümmert sich um Kinder und Küche! In 13% der Familien steigt sie sogar ganz aus dem Job aus.
Über 70% wünschen sich unverplante Zeit, einfach mal nichts tun. 81 % würden gern auf ein Lebenszeitkonto einrichten, auf das sie Arbeitszeit einzahlen könnten. Und dadurch Auszeiten nehmen können in schwierigen Zeiten, z.B. in der Rush Hour des Lebens, wo Kind und Beruf zu vereinbaren sind. Die Mehrheit würde das Konto allerdings nutzen wollen, um eher mit der Arbeit aufhören zu können. Eine längere Lebensarbeitszeit, die sich an die Lebenserwartung anpasst, wird von den meisten Menschen bisher nicht gewünscht.
Was auffällt: die meisten Menschen sehen generelle gesellschaftliche Probleme. Glauben aber, sich selbst irgendwie ganz gut durchwursteln zu können. Als ob beides nichts miteinander zu tun hat. Nur beim Blick aufs Übermorgen wird die Zukunft von allen Generationen ziemlich schwarz gesehen. Eine der größten Sorgen im Alter: die finanzielle Unsicherheit. Jede*r zweite macht sich Sorgen, ob das Geld reichen wird, besonders Frauen machen sich darüber Gedanken. 92% glauben, dass das Rentensystem weiter verändert werden muss, damit es nicht zur Altersarmut kommt. Aber 57% trauen genau das der Politik nicht zu.
Ratschläge der Älteren an die Jüngeren: Sparen und vorsorgen, ordentlich in Bildung inverstieren und nur 10% empfahlen, das Leben zu genießen und Träume umzusetzen.
Das Verhältnis zwischen Älteren und Jüngeren scheint sich neu auszubalancieren. Nur noch 25% sprechen von Generationen-Ungerechtigkeit. Die Älteren finden sogar mehr als die Jüngeren, dass die benachteiligt seien. Und der Generationen-Vertrag wird nur noch von 55% als gerecht empfunden. Die Abgrenzung zwischen den Generationen wird offenbar überbewertet, wichtiger sind inzwischen Bildung, Einkommen, Eltern und Freundeskreis, die verbinden oder eben trennen.
Als ein Fazit der Studie sehen die Verfasser*innen*2), dass „die gewonnenen Lebensjahre Herausforderungen aber auch Chancen bringen. Zum Beispiel, die Lebensarbeitszeit gänzlich anders zu struktieren und On-off-Biografien zu leben. Lebensläufe, die sich nicht mehr in den klassischen Dreiklang aus Ausbildung, Arbeit, Ruhestand fassen lassen. Sondern, in denen sich Phasen der Arbeit immer wieder mit solchen Phasen abwechseln, in denen Zeit für Familie, für Neues, für das Gemeinwohl im Vordergrund steht. Die Umfrage unterstreicht den Wunsch danach.“
Am Schluss der Veranstaltung wurde auch über Umsetzungsmöglichkeiten und die Rolle der Parteien diskutiert. Auf eine spontane Umfrage der Diskussionsleitung, wer der hier anwesenden, politisch interessierten Menschen aller Altersgruppen Mitglied in einer Partei sei oder vorhabe, demnächst in eine Partei einzutreten, um etwas zu verändern, meldeten sich etwa 1/4. Auf Nachfrage kam heraus, dass das eine Viertel bereits Mitglied in einer Partei war. Für 3/4 der Anwesenden war das also keine Option. Eine kurze Diskussion über Politikverdrossenheit folgte mit dem Wunsch nach neuen Beteiligungsformen. Die Mitgliedschaft in Parteien sei besonders für jüngere Menschen keine Option mehr, hieß es.
Alle Infos und Zahlen hier. ____________________________________________________________________________
*1)1701 zufällig ausgewählte Personen zwischen 18 und 65 Jahren wurden im Oktober 2016 befragt, darunter 372 unter 30 und 616 über 50, in der Studie die „Jüngeren“ bzw. die „Älteren“ genannt.
*2)Andrea Bayerlein, Andreas Geis, Meike Kirsch, Margitta Schulze Lohoff, Körber Stiftung 2016