Auszug aus meiner Rede zu pflegenden Zu- und Angehörigen in der Bürgerschaft am 24.6.20
„Ich bin verzweifelt, ich weiß nicht, ob ich noch jemanden in die Wohnung lassen kann, ich habe beim Einkaufen oder im Bus Angst – ich darf auf gar keinen Fall erst mich und dann meine eigene Familie mit Corona anstecken.“
Solche Sätze hörte man in den letzten Wochen, wenn man mit Menschen sprach, die ihre Angehörigen pflegen.
Die Furcht davor, die eigene Familie zu gefährden, gesundheitlich auszufallen oder die Aufgaben nicht mehr schultern zu können, ist immer präsent.
Das hat auch die erste Corona-Studie zur Situation pflegender Angehöriger unter Leitung der Gerontologin und Professorin Dr. Kuhlmey von der Berliner Charité gezeigt.
Mit Corona hat sich diese Sorge um die Zu- und Angehörigen vervielfacht.
Pflegende Angehörige, das sind Berufstätige, Rentner*innen oder Selbstständige, Menschen, die sich um mehrere Personen für einen langen Zeitraum kümmern, oder Menschen, die sich einmalig eine begrenzte Auszeit aus dem Beruf nehmen.
Und obwohl die Gruppe so unterschiedlich ist, ist ihnen eines doch gemein:
Es sind meist Frauen, die pflegen. Wie im gesamten Care-Bereich.
Die ungleiche Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit auf Frauen und Männer, aber auch die schlechte Vereinbarkeit dieser Bereiche ist ein eklatantes Gerechtigkeitsproblem!
Ich habe gerade letzte Woche mit einer freien Journalistin gesprochen, die ihren Job endgültig aufgegeben hat, um auch in Corona-Zeiten ihren Mann pflegen zu können.
Der durch Corona entstandene Betreuungsengpass für pflegende Angehörige ist der Situation von Familien mit Kindern sehr ähnlich.
Vergleichbare Leistungen – wie die Lohnfortzahlung aufgrund fehlender Betreuung – sind für pflegende Angehörige jedoch so gut wie ausgeblieben.
Dabei ist Familienarbeit in modernen – sprich alternden Gesellschaften – nicht nur die Aufgabe, unsere Kinder zu erziehen, sondern es wird auch zunehmend wichtiger, zu pflegen:
Pflegebedürftige Kinder und Jugendliche natürlich. Durch den demografischen Wandel aber vor allem hochbetagte Menschen. Die eigenen Eltern, Großeltern oder die Lebens-Partner*innen.
Pflegende Angehörige werden aber noch lange nicht in dem Maße gesehen und unterstützt, wie sie es brauchen und wie sie es verdienen – die Problemlagen sind nicht neu, aber spätestens seit Corona unübersehbar.
Als Grüne wollen wir eine Anerkennung dieser Leistung.
Dafür setzen wir uns im Bund und in Hamburg ein.
Im rot-grünen Koalitionsvertrag für Hamburg sind wichtige Ansatzpunkte enthalten.
Dazu gehören der Ausbau der Kurzzeitpflege, der Pflegenotruf und die spezielle Berücksichtigung von Kindern in der Pflege.
Und wir werden auch für eine bessere Vertretung der pflegenden Zu- und Angehörigen im Landespflegeausschuss sorgen!