Auftakt zum Tag der älteren Menschen am 1.10.

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Rita und ich verteilen Einladungen für den Sputnik Moment vor dem Michel

Der Landes-Seniorenbeirat (LSB) und die DGB-Senioren hatten eingeladen – und viele, viele kamen. Immerhin war Franz Müntefering, inzwischen Vorsitzender der BAGSO (Bundesarbeitsgruppe der Seniorenorganisationen) Gastredner im Gemeindesaal des Michels. Um zehn Uhr sollte es losgehen, also waren Rita und ich schon um viertel nach neun dort, um unsere Einladungen zu verteilen: für unsere Veranstaltung zum Demografischen Wandel im Metropolis Kino in einem Monat.

Pünktlich um 10 Uhr begrüßte Brita Schmidt-Tiedemann, LSB-Vorsitzende dann die Gäste damit, dass man wahrlich einen Grund zum Feiern habe: Wir feiern uns selbst, zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit erlebten so viele Menschen das hohe Alter. Und zwar fit und gesund. Viele ältere Menschen arbeiteten auch länger und gern, egal ob für die Familie oder im Job. Nur nicht mehr mit so starren Regeln wie früher. Bedauerlich sei deshalb, dass sich das Altersbild noch nicht entsprechend geändert habe.

Johannes Müllner von den DGB Senioren freute sich, dass wir in diesem Jahr ein Jubiläum feiern: vor genau 100 Jahren wurde das Rentenalter von 70 auf 65 gesenkt. Wichtig sei jetzt, dass wir endlich gegen Altersarmut vorgingen, das Wahlkampfjahr 2017 würde deshalb ein hartes Kampfjahr.

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Cornelia Prüfer-Storcks erklärt, dass Hamburg schon frühzeitig ein Demografie-Konzept entwickelt habe

Weltweit gibt es inzwischen 700 Millionen ältere Menschen, so viele, wie insgesamt in ganz Europa leben. Und laut SPD-Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks fühlt sich Ältersein zunehmend besser an, zumindest in Deutschland. Die Erwerbstätigkeit habe bei Menschen zwischen 54 und 65 stark zugenommen. Und ältere Menschen kümmerten sich auch wieder mehr um ihre Enkel, das sei eine zeitlang gar nicht so gewesen. Hamburg habe schon frühzeitig ein Demografie-Konzept entwickelt, das Arbeitsprogramm für alle Behörden sei. Immer wichtiger würde die Wohnsituation, die meisten Menschen wollen auch im Alter zuhause wohnen bleiben. Und wenn das nicht ginge, zumindest im gleichen Viertel. In Hamburg gäbe es zum Glück ein Wohnbündnis, dass sich um barrierefreien Wohnraum kümmere. Auch müsse man gut für Kranke und Pflegebedürftige sorgen. Das würde auch passieren, zur Zeit gäbe es sogar ein Überangebot an Pflegeplätzen. Nachholbedarf bestünde allerdings bei alternativen Modellen, die immer gefragter würden, wie z.B. Wohngemeinschaften.  Solche WGs könnten auch innerhalb von Pflegeheimen angesiedelt sein. Es sei ganz wichtig, dass Pflegeheime Angebote für alle im Quartier Wohnenden machten, so dass es einen lebendigen Austausch gäbe und Heime nicht mehr länger eher einem Krankenhaus ähnelten.

Es würden präventive Hausbesuche gemacht, damit niemand vereinsame. Besonders für Menschen mit niedrigen Einkommen gäbe es gute Angebote in der offenen Seniorenarbeit, die Förderung dafür würde 2017 sogar erhöht.

Das Schwerpunktthema für 2016 sei Altersdiskriminierung. Es dürfe keine Altersgrenze für neue Hüftgelenke geben, keine Kreditgrenze für Menschen, die z.B. ihre Wohnung altersgerecht umbauen wollten. Zum Glück hätten wir bereits ein Antidiskriminerungsgesetz. Das sei allerdings 10 Jahre alt und bedürfe einiger Nachbesserungen.

Diskriminierung fände oft im Kopf statt, wer an alte Menschen denke, habe zuallererst Demenz und leere Rentenkassen vor Augen. Bei  Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts seien wir schon viel sensibler als beim Alter. Das Altersbild müsse sich dringend ändern.

Der Hauptpastor vom Michel, Alexander Röder, erzählte von einem spannenden Projekt seiner Gemeinde: Jugendliche an drei Stadtteilschulen bekämen je einen Paten an die Seite, ein Jahr, bevor sie ihren Abschluss machten. Es seien dann sehr oft ältere Menschen, die die Patenschaft übernähmen. Einige 16-, 17-jährige Jugendliche seien bis dahin noch nie aus ihrem Viertel im Mümmelsmannsberg herausgekommen, hätten z.B. noch nie die Alster gesehen. Aus den Patenschaften hätte sich eine schöne Kommunikationsbrücke der Generationen entwickelt. Sein Appell an alle: „Seien Sie laut! Wir brauchen Ihre laute Stimme in der Gesellschaft!”

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Franz Müntefering bei seiner launigen Rede mit breit rollendem „Rrrrr“

Höhepunkt war natürlich der launige Vortrag von Franz Müntefering, inzwischen 76 und genauso eloquent wie eh und je: „Mir geht es jetzt so gut, weil ich Vorsitzender der BAGSO bin – und damit zum ersten Mal einer Vereinigung mit so vielen Mitgliedern vorstehe, die ganz von allein immer mehr werden!”, erklärte er gleich zu Anfang. Er habe keine Angst vorm demografischen Wandel. Wandel hätte es immer und überall gegeben. Außerdem sei der keine Naturgewalt, sondern gestaltbar. Und die 12 Millionen Mitglieder der BAGSO wollten gestalten. Wie wollen wir morgen leben, was können wir heute dafür tun? Das seien die wichtigen Fragen. „Die Frauen leben ja im Schnitt 5 Jahre länger und sagen uns nicht, warum – das kriegen wir aber noch raus!“

Die Demokratie kenne auf jeden Fall keine Schaukelstühle, die demokratische Pflicht, sich einzumischen, bliebe für alle bestehen, egal wie alt man sei. Deshalb sollten wir uns unbedingt bewegen, Bewegung sei wichtig für den ganzen Körper. „Und manche vergessen, dass der Kopf zum Körper dazugehört!“

Und immer sollte man auf ein friedliches Miteinander aller Länder setzen. Noch nie hätten so viele Menschen z.B. türkisch und deutsch gesprochen – oder russisch und deutsch. Das sei eine große Chance, Russland und die Türkei gehörten zu Europa dazu. Es gab jede Menge Applaus, bevor Münte zum nächsten Termin eilte, nach St. Pauli zur Rudi-Assmann-Gesellschaft, zum Thema Demenz.

Morgen geht es weiter: um 11 Uhr treffen sich alle, die über 60 sind und Lust haben zu feiern, auf dem Spielbudenplatz und singen das Lied von Udo Jürgens „Mit 66 Jahren“. Anschließend geht es zum Speed-Dating in einen angesagten Club – also dann, bis morgen!

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